Drachenflamme: Roman (German Edition)
auf dem Nacken des Drachenjungen und streichelte ihn. Er blickte zu Roland, doch sein triumphierender Ausdruck auf dem Gesicht verblasste ein wenig, als sie ihm den Rücken zukehrte und mit unbewegter Miene auf die andere Seite des Lagers ging, wo sie sich damit beschäftigte, alles für ihre Abreise zusammenzupacken.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du so neidisch bist«, sagte Demane zu ihr, als sich der Schlüpfling etwas später hingelegt hatte, um ein wenig zu schlafen.
»Ja, klar, neidisch«, sagte Roland, ohne sich umzudrehen. »Du Esel. In ungefähr sieben Jahren werde ich Excidium übernehmen, wenn meine Mutter dann am Boden bleiben möchte.« Temeraire plusterte sich vor Empörung auf, als er dies hörte, doch er mischte sich nicht ein.
»Aber dann…«, sagte Demane, und sie drehte sich zu ihm um und sagte: »Was ist denn bloß in dich gefahren? Du verlängerst die ganze Sache für den armen Kerl und für uns, nur um anzugeben? Die Hälfte dieser Burschen versieht Bodendienst, weil ihre Tiere gestorben sind. Glaubst du, irgendjemand kann ertragen, wie der Schlüpfling kämpfen muss, nur um Luft zu bekommen? In einer Woche wird er zu groß für seine Lungen geworden sein …«
»Das weißt du doch gar nicht!«, sagte Demane bissig. »Unser Kapitän glaubt nicht, dass er sterben wird.«
»Natürlich tut er das«, sagte Roland. »Das tun wir alle. Hör doch nur!« Das Atmen des Jungdrachen war quer durchs ganze Lager zu hören: Es waren lange, mühsame Luftzüge, die die Flanken aufblähten. »Und der Kapitän hat das Tier auch nicht aus Eigennutz gerettet – Wenn’s sein muss, würde er durchs Feuer gehen. Er ist ein gottesfürchtiger Mann. Und du nicht; ich glaube, du bist schrecklich selbstsüchtig«, fügte sie hinzu und stapfte davon.
»Bin ich gar nicht«, sagte Demane und sah zu Temeraire auf. »Und vielleicht stirbt er ja auch nicht«, ergänzte er trotzig.
»Nun ja, ich sehe keinen Grund, warum er sterben sollte«, sagte Temeraire; er wollte den Schlüpfling auf keinen Fall verenden sehen, denn das wäre doch sehr traurig. »Aber ich weiß nicht, wie er es mit dem Essen regeln will, wenn er für sich selber jagen müsste.«
»Ich kann doch für ihn jagen«, schlug Demane vor.
»Und er ist so klein, dass er vielleicht gar nicht so viel Nahrung braucht«, stimmte Temeraire zu und, einem plötzlichen Einfall folgend, fuhr er ermutigend fort: »Vielleicht wird er ja ein Gelehrter und muss gar nicht fliegen … Oder er wird ein Poet!«
Demane sah bei dieser Vorstellung nicht sehr glücklich aus. Es war immer ein bisschen schwierig, ihn dazu zu bringen, über seinen Büchern zu sitzen, und schon sein Bruder hatte sich als große Enttäuschung für ihn entpuppt, denn er war kaum davon wegzubringen. Temeraire jedoch hatte das Gefühl, die ideale Lösung gefunden zu haben. »Und außerdem«, sagte er zu Laurence, »konnte ich nicht feststellen, dass jemand einen frisch aus dem Ei Geschlüpften zum Jagen auffordert, wenn es sich dabei um einen Menschen handelt. Harcourts Ei konnte nur herumliegen, mit den Armen wedeln und heulen. Kulingile kann ja wenigstens sprechen und essen, ohne dass ihm jemand seine Nahrung Häppchen für Häppchen in den Mund stecken muss.«
Temeraire kam plötzlich eine Idee, und er versuchte, Kulingile die Buchstaben seines Namens beizubringen, kaum dass er aufgewacht war, doch sein Schüler holte nur rasselnd Atem und keuchte: »Aber ich bin doch hungrig.«
»Es ist erst zwei Stunden her, dass du was gegessen hast«, sagte Temeraire, »du kannst nicht schon wieder Hunger haben.«
»Doch, ich habe Hunger«, wiederholte Kulingile bekümmert.
»Nun, dann musst du vorher die ersten fünf Buchstaben lernen«, lenkte Temeraire mit einem Seufzen ein, »und dann kannst du ein paar Eidechsen bekommen.«
Kulingile besah sich die Buchstaben, die Temeraire in den Boden gekratzt hatte, und verkündete dann: »Ich habe sie gelernt.«
»Nein, hast du nicht«, sagte Temeraire und wischte die Schrift mit dem weichen Bogen seiner Klaue weg. »Schreib sie wieder hin!« Aber am Ende musste er aufgeben, denn Kulingiles lange Krallen erlaubten es ihm nicht zu schreiben.
Also durfte Kulingile zwei – drei – der großen Eidechsen essen, die schon zuvor zerlegt und eingesalzen worden waren. Caesar sah missmutig zu, und Temeraire war auch nicht sonderlich froh zu sehen, wie das Essen verschwand. Er mochte den Geschmack von
Eidechsen ganz besonders, aber im Augenblick konnte er sie
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