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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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zu essen geben und es ihm so behaglich wie möglich machen, bis das natürliche Ende eintritt. Die Frage, ob es früher oder später kommt, entbindet uns nicht von den Geboten der Menschlichkeit.«
    »Und was schlagen Sie vor, wer das Tier füttern soll?«, fragte Rankin. »Kein Flieger wird das tun und sich so binden, denn damit würde er seine einzige Chance opfern. Und ich will verdammt sein, wenn ich es zulasse, dass Sie uns einen niederen Strafgefangenen vor die Nase setzen, der sich dann auch noch Kapitän nennen dürfte …«
    »Ich selbst werde ihn füttern«, sagte Laurence.
    »Wie bitte?«, fragte Temeraire, und sein Kopf fuhr blitzartig herum. Laurence wartete einen Augenblick erstaunt ab, und Temeraire setzte an: »Du würdest …?« Seine Stimme zitterte, und in ihr schwang Niedergeschlagenheit, Zorn und ein Hauch des Vibrierens vom Göttlichen Wind mit.
    »Versuchen Sie’s doch mal«, sagte Rankin ungeduldig. »Sie können es nicht füttern. Wenn es alle Sinne beisammen hat, wird es niemals Nahrung aus Ihren Händen entgegennehmen. Es kann sehen, dass Sie Temeraires Gefährte sind, und es weiß, dass dieser es sofort töten würde. Was«, fügte er hinzu, »uns immerhin eine Menge Ärger ersparen würde.«
    Laurence warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Es mochte schon sein, dass Temeraire die Geste vielleicht nicht gefallen würde, aber er glaubte nicht, dass er so weit gehen würde, einen kleinen und hilflosen Schlüpfling zu töten. So sagte er: »Temeraire, mein Lieber, das ist doch blanker Unsinn. Du kannst doch nicht glauben, dass ich dich jemals eintauschen würde.« Dass Temeraire beunruhigt war, war jedoch sicher, und deshalb fügte Laurence noch hinzu: »Ich habe
diesen Vorschlag nur aus ganz praktischen Gründen gemacht, und ich bitte dich, den Schlüpfling selbst zu füttern, wenn du irgendwelche Einwände dagegen hast, dass ich diese Aufgabe erfülle.«
    »Oh«, sagte Temeraire, und seine Halskrause wurde wieder etwas schlaffer. »Oh, ach so ist das. Ich habe keine Einwände, aber, Laurence …« Er streckte seinen Kopf vor und sagte zögernd in leisem, vertraulichem Ton: »Laurence, vielleicht hast du es ja nicht richtig verstanden, aber … er kann nicht fliegen.«
    Laurence war schockiert – schockiert und entsetzt, sodass er kaum wusste, was er sagen sollte. Rankin bemerkte: »Da haben Sie es. Reicht Ihnen das jetzt, oder wollen Sie uns noch weitere Vorträge über die Menschlichkeit halten?«
    Temeraire schnaubte Rankin an. »Ich verstehe gar nicht, warum Sie dauernd was sagen müssen, wenn Sie doch nichts anderes im Sinn haben, als widerlich zu sein«, sagte er. »Und Laurence, wenn du das so gerne möchtest, dann werde ich dem Schlüpfling natürlich was zu essen geben. Er kommt mir nur ein bisschen seltsam vor.«
    »Mehr als ein bisschen seltsam«, betonte Caesar. »Und was soll geschehen, wenn du nicht da bist, und das Junge bekommt Hunger? Und außerdem befinden wir uns immer noch in der Wüste, und wir hatten die ganze Woche nichts Anständiges zu essen. Im Augenblick haben wir zwar Vorräte übrig, aber es wird auch ein langer Weg zurück zu den Kühen. Darüber könntest du mal nachdenken, ehe du unser Essen verschwendest.«
    »Vielleicht kann es ja später doch noch fliegen«, sagte Temeraire, »abgesehen davon könnte es sein, dass es jetzt nur ein bisschen müde ist, weil es so durchgerüttelt wurde … Allerdings wäre es dann sicher noch ein Weilchen in der Schale geblieben, um sich auszuruhen …«
    Er brach seinen Satz ab, weil er merkte, wie wenig überzeugend er klang. Laurence fühlte sich ganz plötzlich unsicher und ein wenig hilflos. Was er als festen Anker angesehen hatte, hatte sich gelöst und trieb nun mit ihm durch unbekannte Gewässer. Wenn der Schlüpfling
am Leben bleiben sollte – deformiert, hilflos und nicht fürs Leben gewappnet – ausgestoßen vom Korps und von seinen eigenen Kameraden …
    »Temeraire, du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du ihm etwas zu essen geben würdest«, sagte Laurence trotzdem. Es gab keine Alternative, die nicht schlimmer, die nicht barbarisch und grausam gewesen wäre und deshalb sofort wieder verworfen werden musste.
    Er drehte sich um und erstarrte. Der Schlüpfling fraß langsam, aber mir großer Entschlossenheit die Innereien eines Kängurus. Um seinen Hals war als Symbol für ein Geschirr ein Ledergürtel geschlungen, und Demane hob den Kopf und sagte: »Ich nenne ihn Kulingile.«
     
    »Dann

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