Drachenflamme: Roman (German Edition)
sich während der größten Hitze des Tages ausgeruht hatten. »Können wir denn so viel Zeit erübrigen?« , fragte Temeraire nachdenklich.
»Wir tun gut daran, deine Kräfte einzuteilen«, sagte Laurence. »Mein Lieber, du bist noch nicht wieder richtig hergestellt. Ich bitte dich, versuch doch, dich in dieser Hitze nicht zu überanstrengen. Wenigstens haben wir hier ein bisschen Schatten, und ich glaube nicht, dass Kulingile der schlimmsten Kraft der Sonne ausgesetzt werden sollte.«
Kulingile jedoch schien sich im Augenblick nicht um die Sonne oder um irgendetwas anderes als Essen zu kümmern. Beinahe bebend stand er draußen am Eingang zu ihrem rasch aufgeschlagenen Lager, wartete, bis Demane mit einer neuen Ration Wild zu ihm zurückgetrottet kam, und machte sich dann eilig daran, alles runterzuschlingen, ohne noch einmal aufzublicken.
Er war sehr schnell fertig und hielt hoffnungsvoll Ausschau nach weiterem Nachschub. Demane starrte auf die Überreste, die aus kaum mehr als ein bisschen Fell der vier kleinen Tiere bestanden, die er mitgebracht hatte. Dann stand er trotz der Hitze des Tages wieder auf. »Du hast noch eine Stunde Zeit«, sagte Laurence und sah zum Himmel empor. Die Sonne hatte den Höhepunkt schon überschritten und begann bereits wieder mit dem Abstieg. Bald, so hoffte Laurence, würden sie ihren Weg fortsetzen können.
Ein weiteres Paar Eidechsen und ein kleineres Känguru, nur ein
wenig von Vögeln zerrupft, ließen sich inmitten der verbrannten Vegetation finden. Sie verschwanden mit der gleichen Geschwindigkeit in Kulingiles gierigem Schlund, während Demane neben dem Wasserloch kniete und sich mit der bloßen, hohlen Hand Wasser in den Mund schöpfte. Er schnaufte, und seine Arme zitterten vor Erschöpfung. Dann rollte er sich unter einem der Büsche zusammen und schlief. Kulingile aß alles auf, was er bekommen hatte, leckte sich dann sehr sorgfältig das Maul und alle blutverschmierten Krallen ab, und ließ wieder den Blick schweifen. Er entdeckte Demane, kroch zu ihm, schmiegte sich im Schatten an ihn und fiel dann schwer atmend in einen tiefen Schlummer.
Sipho beobachtete das alles mit Missbilligung. Er war der jüngere, ruhigere Bruder, und er hatte sich mit viel weniger Vorbehalten auf die Umwälzungen in ihrem Leben eingelassen. Die neue Gesellschaft, in der sie sich wiedergefunden hatten, war sein Zuhause geworden, während Demane, der von Natur aus und aus Erfahrung wachsamer war, sich immer ein wenig abseits hielt. Im Laufe des letzten Jahres, so kam es Laurence vor, hatte Sipho begonnen, der Übereifrigkeit und der erstickenden Fürsorge seines Bruders ablehnender gegenüberzustehen. Aber er war weit davon entfernt, es gutzuheißen, dass sie nun auf einen neuen Nutznießer übergingen. Da er aber auch zu stolz war, um Demanes Zuneigung wieder offen einzufordern, verkroch er sich stattdessen in den tiefen Schatten von Temeraires Körper, schlug sein Buch auf und beschäftigte sich mit dem chinesischen Text darin, um zu demonstrieren, wie ungerührt er von der neuen Situation war.
»Nun?«, fragte Laurence leise Dorset, als der Arzt sich wieder zu ihm gesellte. Dieser hatte noch einmal den schlafenden Schlüpfling untersucht.
»Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist es auf jeden Fall sehr schade«, sagte Dorset.
»Dann haben Sie keine Hoffnung darauf, dass er überleben könnte?«, fragte Laurence.
»Ganz im Gegenteil, davon muss ich jetzt sogar ausgehen, da er bis jetzt durchgehalten hat«, erwiderte Dorset. Einige der Flieger, die ermattet im Schatten in der Nähe lagen, rissen die Köpfe hoch. »Und so schnell, wie er im Augenblick wächst, wird es in absehbarer Zeit sicher keine Gelegenheit geben, ihn zu wissenschaftlichen Zwecken aufzuschneiden. Ich erfahre natürlich auch in diesem Zustand eine Menge, aber wenn er noch einen weiteren Monat lebt, dann werden sich die ursprünglichen Verformungen nicht mehr rekonstruieren lassen.«
Laurence zwang sich, einen Moment abzuwarten, presste die Lippen zusammen und sagte dann: »Vielleicht, Mr. Dorset, könnten Sie in dieser Angelegenheit die Gefühle unseres Patienten berücksichtigen, ehe sie ihre Klagen äußern. Können Sie einschätzen, was ihn daran hindert, fliegen zu können?«
»Sicher sind die Luftsäcke irgendwie deformiert«, erklärte Dorset. »Ich schätze, sie sind kollabiert und drücken jetzt auf die Lunge. Es ist außerdem sehr wahrscheinlich, dass die enge Schale die Entwicklung beeinträchtigt
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