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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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der Kardinal mit schneidender Stimme, „die Menschen dieser Gegend brauchen unsere Hilfe. Und ich muss doch wohl nicht davon ausgehen, dass Sie ihnen diese vorenthalten wollen, oder?“
    De Vendetta konnte auf dem Bildschirm des Telefons deutlich sehen, wie das Gesicht des Bischofs gefror. Er schätzte den praktischen Wert dieser technischen Neuerungen außerordentlich.
    „Nein, Eminenz.“
    „Ausgezeichnet. Es würde mich sehr betrüben, auf Ihre Mitarbeit verzichten zu müssen. Und glauben Sie mir, Korkenbaum: Wenn wir den Heiligen Vater zufriedenstellen, werden auch Sie es nicht bereuen!“
    „Ja, Eminenz. Ich sage den Männern, dass sie sich beeilen sollen.“
    „Gut. Das wäre im Augenblick alles.“
    Der Bildschirm des Geräts wurde wieder schwarz, und der Kardinal lehnte sich zurück. Genussvoll dachte er an das zufriedene Gesicht des Papstes – und an die aufrichtige Dankbarkeit, die er demjenigen schenken würde, der all das möglich gemacht hatte. Was für ein wundervoller Tag.

„Glaubst du nicht, dass wir langsam weit genug geflüchtet sind? Es ist über zwei Stunden her, seit ich meine Beine zum letzten Mal gespürt habe!“
    Rasputin kämpfte sich schwankend voran. William seinerseits begrüßte die latente Wehleidigkeit des Wolpertingers keineswegs – aber wo es schon mal jemand zur Sprache brachte, konnte er sich ein zustimmendes Brummen auch nicht verkneifen.
    Auguste blieb stehen, stützte schnaufend die Hände auf die Knie und sah sich um. Mittlerweile war es stockfinstere Nacht. Zu ihrer Linken ragten schroffe Felswände in die Dunkelheit empor. Einiges sprach dafür, dass zumindest Teile von ihnen einmal als Steinbruch genutzt worden waren, doch schien dies schon lange Vergangenheit zu sein. An manchen Stellen hatte sich die Witterung tief ins Gestein gegraben, überall lagen ziellos verstreute Felsbrocken herum, und grünliche Flechten hingen von jedem Vorsprung herab. Ein dicker Teppich aus Moos und Gräsern hatte sich bis an den Fuß der Wand herangekämpft und bedeckte dort das Geröll. Überall wuchsen Dickichte aus Hagebuttensträuchern, hin und wieder auch einzelne Birken.
    „Also gut“, seufzte sie, „Lasst uns über Nacht hierbleiben.“
    Sie schlugen ihr Lager in einer Nische auf, die einige Meter in den Fels hineinreichte. Direkt davor lag ein besonders dicker Findling, der sie vor Wind und neugierigen Blicken schützen würde. Während Auguste die Stelle von Brennnesseln und Gestrüpp säuberte, machte Rasputin sich auf, um Holz zu suchen. Bevor er jedoch sonderlich weit gekommen war, blieb er stehen, weil er drei bohrende Blicke in seinem Rücken spürte.
    „Nun, vielleicht sollte ich euch da etwas erklären…“
    Er drehte sich um und blickte in drei nickende Gesichter.
    Die Bocksbeine hatte der Wolpertinger immer noch, was sich auf ihrem Weg hierher als recht nützlich erwies. Auch das Hirschgeweih war noch vorhanden. Allerdings saß es gegenwärtig auf dem Körper einer Kröte – an dem die langen, haarigen Arme eines Affen hingen. Ob Schimpanse oder Orang-Utan ließ sich nur schwer feststellen, solange der Rest fehlte. Auch diesmal wirkte alles auf widersinnige Weise samtig und anmutig.
    „Ich schätze, ihr kennt die üblichen Geschichten über Wolpertinger, oder?“
    Er hielt kurz inne und blickte abermals in drei nickende Gesichter.
    „Zugegeben, diese Geschichten sind ziemlich populär… aber sie erzählen nicht alles. Selbst der Druden verfügt über gewisse Lücken. Manchmal, wenn ein Wolpertinger geboren wird, kommt es zu… Komplikationen. Geschichtenerzähler sind immerhin ein verschrobenes Völkchen. Wenn man auf sie angewiesen ist, kann praktisch alles Mögliche passieren…“
    Rasputin spürte, wie die Intensität der auf ihm lastenden Blicke zunahm. Er räusperte sich.
    „Manchmal, in ganz seltenen Fällen, kommt es vor, dass sich ein Erzähler überhaupt nicht entscheiden kann, wer in seiner Geschichte vorkommen soll – weil er beispielsweise in seiner Entscheidung unterbrochen wird oder sogar stirbt. Was dann entsteht, nennt man einen ‚transimaginären Wolpertinger’. Man ist nie ganz auf eine Gestalt festgelegt, verwandelt sich ständig hin und her.“
    Von Satz zu Satz wurde Rasputin verlegener und kleinlauter.
    „Sind wirklich außerordentlich selten, was allerdings kein Vorteil ist. Auch die meisten anderen Wolpertinger wissen meist nicht recht, was sie von ihnen halten sollen… dachte nur, ihr solltet das wissen. Irgendwie.“
    Mit

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