Drachenfluch1: Zauberschmiedekunst (German Edition)
Bibliothek ging und darum jenen zürnen würde, die etwas stahlen, um es verkaufen zu können. Es funktionierte nicht tadellos und zusätzliche Kontrollen waren unumgänglich; doch es war ein bewährtes System.
Hier im Tempel fühlte Jiru sich wohl, er erinnerte ihn an die glücklichsten Zeiten seines Lebens. Warum hatte er es einfach hingenommen, auf der Straße leben zu müssen? Hätte er Haranstadt verlassen und Zuflucht auf dem Land gesucht, wäre er sicherlich von einer der vielen Tempelgemeinschaften aufgenommen worden. Als Kind hatte er eine gute Singstimme gehabt, warum hatte er es nicht bei den Dalari versucht? Diese Wanderpriester beiderlei Geschlechts zogen von Stadt zu Stadt und boten ihre Künste überall dar, wo man sie im Gegenzug mit Essen und Unterkunft beschenkte. Unter ihnen waren Sänger, Musiker, Tänzer, Geschichtenerzähler, Schreiber, Schausteller, aber auch Maler, Bildhauer und Architekten. Die Göttin Dalari liebte jeden, der sich den Künsten hingab und die Priester liebten es, den Segen der Göttin zum Volk zu bringen. Es gab keine Tempel, in denen Dalari verehrt wurde, dafür allerdings Schulen, in denen die Priester ausgebildet wurden. Nun, Jiru hatte nie über ein Leben als Künstler nachgedacht, aber er hätte es versuchen müssen. Es war seiner Tatenlosigkeit, seinem mangelnden Willen, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen zuzuschulden, was Callin ihm angetan hatte! Diesen Fehler würde er nicht wieder begehen, darum kam Jiru jeden Tag hierher, wenn er den Beobachtungsposten an Yaris’ Haus aufgegeben hatte und nicht länger die Leute ausfragen konnte, ohne aufzufallen. In der Bibliothek konnte er in den alten Schriften nach dem Wissen über Zauberschmiede suchen, die Ursprünge der Familie von Auk erforschen und Wege aufspüren, seine geistige Widerstandskraft zu stärken, um sich Callin so lange wie möglich widersetzen zu können.
Ein kurzes Stoßgebet zu Jalil, der Göttin der Schreibkunst, und Kirash, dem Gott des Wissens, dann ergriff er die in Leder eingebundene Kopie von „Über den Ursprung aller Dinge“, worin Teaphastos von Kamal sich vor etlichen Jahrhunderten über Zauberschmiede wie auch den Schlund ausgelassen hatte.
Der Schlund … Jedes Kind in Karsland wusste von diesem schrecklichen Ort, der die Nordwest-Grenze ihres Reiches bildete und es von den Westwindländern ebenso wie von den Eissteppen trennte. Ein gewaltiger Riss in der Erde sollte es sein, rund zwanzig Schritt breit, etwa zwei Meilen lang und zu tief, um jemals lebendig den Grund zu erreichen. Alles Schlechte und Böse dieser Welt sollte von dort gekommen sein. Viele Menschen in Karsland und dem Westwindreich glaubten, dass Nahib nach der Schöpfung der Welt aus sich selbst heraus zahllose neue Götter geschaffen hatten, die jeden einzelnen Aspekt mit einer Seele erfüllten. Auch Jiru war gelehrt worden, jeden Stein, jede Blume und jeden Regentropfen als göttliches Wunder und Geschenk der Himmelreiche zu begreifen. Einige dieser Götter hatten allerdings versucht, der Schöpfung Schaden zuzufügen. Sie wurden von Nahib in den Schlund gestoßen und ihre Namen getilgt. Man sprach von ihnen als die verbannten oder die vergessenen Götter. Daran, dass sich im Schlund Wesen von großer Macht befanden, zweifelte niemand. Ob es sich dabei um Götter handelte, dafür gab es keine Beweise – genauso wenig wie dagegen.
Teaphastos gehörte zu jenen Philosophen, die mit blumigsten Worten zu schildern verstanden, wie die Anderswelt aussah, die dort unten seiner Meinung nach sein sollte. Von schwefligen Dämpfen und Lavaströmen war die Rede, von grausamen Kreaturen und Verderben in jeder denkbaren Form:
„Nur dem namenlosen Wächter ist es zu danken, dass die Unreinen in ihrer Welt der Tiefe verharren. In unermüdlicher Weise erfüllet er seine heilige Pflicht, den Göttern geschuldet, wenn nicht gar selbst ein Gott. Nicht sein Versagen ist es, wenn es doch Kreaturen gelingt, ihm zu entfliehen. Kleine zumeist, rasch und hinterlistig, sodass sie selbst seinem Auge entgehen mögen … Wie schon an anderer Stelle erwähnet, gilt es zu vermuten, die Zauberschmiede sind diesem Gräuel entsprossen. Ein anderes Denken ist, dass Zauberschmiede gebürtige Menschen waren, die in den Schlund gestoßen wurden oder gefallen sind. Der namenlose Wächter konnte sie befreien und zurück ans Licht bringen, doch ein wenig der Verdorbenheit ging mit ihnen, Verdorbenheit, die ihnen und allen Nachkommen anhaftet bis ins
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