Drachengasse 13, Band 03
als sich sein kleiner, mit kräftigen Mandibeln bewehrter Mund an der unteren Spitze des Kopfes zu der Nachahmung eines menschlichen Lächelns verzog.
Tomrin schauderte unwillkürlich.
„Ganz schön gruselig, nicht wahr?“, raunte Hanissa ihm zu. Sie waren ins Innere des Baus getreten und gingen hinter der Zwergendelegation einen hohen Torweg entlang.
Der Junge nickte. „Ich gebe mir ja Mühe, mich daran zu erinnern, dass sie unsere Freunde sind. Aber irgendwie wirken sie doch unheimlich.“
„So ein Unsinn“, warf Bruder Barthian schmunzelnd ein. Der kräftige Priester mit dem schütteren weißen Haar schüttelte den Kopf. „Die Xix sind die friedfertigsten Bewohner von ganz Bondingor. Krieg und Gewalt sind ihnen fremd, ebenso Gefühle wie Neid, Zorn oder Feindseligkeit. Sie sind ein Volk, das im Frieden mit sich selbst lebt, und ihre ruhige Mitte ist die Königin. Na? Wer von euch beiden weiß, warum?“
Tomrin verzog heimlich das Gesicht. Er hatte befürchtet, dass Bruder Barthian den Ausflug zum Anlass nehmen würde, um Wissen über die Xix abzufragen.
„Ihre Königliche Aura strahlt Ruhe und Frieden aus, und da alle Xix gedanklich miteinander verbunden sind, können sie das alle spüren“, erwiderte Hanissa.
„Sehr gut, junge Dame“, lobte Barthian sie. „Ganz richtig.“
Das hätte ich auch gewusst, dachte Tomrin ein wenig missmutig. Im nächsten Augenblick jedoch vergaß er seinen Ärger und riss die Augen auf.
Sie hatten das Ende des Torwegs erreicht und betraten die große Hauptkammer des Baus. Der kreisrunde Raum hatte einen Durchmesser von sicher sechzig Schritt und erstreckte sich schachtartig vom Boden bis zur schwindelerregend hoch über ihnen liegenden Decke. Überall entlang der gewölbten Wände gab es Fenster und Balkone, aus denen neugierige Xix herunterblickten. Schlanke Brücken, ebenfalls von Xix belagert, spannten sich von Wand zu Wand. Und ganz oben fiel Sonnenlicht durch die Decke des Baus, die löchrig war wie ein Zwergenkäse. Es zauberte helle Lichtflecke ans obere Ende der schachtartigen Kammer. Tausende von schimmernden Feenfeuerlaternen, die in Nischen standen und von Galerien hingen, nahmen dieses Muster in den tieferen Stockwerken auf und führten es bis zum Boden weiter.
„Heilige Drachen…“, entfuhr es Tomrin erneut. Diesmal gelang es ihm allerdings, den unfeinen Teil des Wortes zu verschlucken. Das war auch besser so, denn direkt um sie herum drängten sich Hunderte von Xix, und auch gut vier Dutzend angesehene Angehörige anderer Völker Bondingors waren anwesend. Diese Krönungszeremonie war ein ganz besonderes Ereignis, und jeder, der Rang und Namen hatte – und an keiner ausgeprägten Insektenangst litt –, hatte sich eingefunden.
„Kommt, kommt, meine Lieben. Nicht am Eingang stehen bleiben. Lasst uns zu unseren Plätzen gehen.“ Mit sanftem Nachdruck schob Bruder Barthian Tomrin und Hanissa vor sich her durch die Gassen, die von den Xix offen gelassen worden waren.
Am hinteren Ende der Hauptkammer gab es eine drei Schritt hohe Stufe im Boden, eine natürliche Tribüne, die mit fließenden Bahnen aus schimmerndem Seidenstoff und prächtigen bronzefarbenen Feuerschalen geschmückt worden war. Dort würde zweifellos die Zeremonie stattfinden. Unmittelbar davor befand sich ein mit Seilen abgesperrter Bereich, in dem bequeme Sitzgelegenheiten aufgestellt waren. Auf diesen ließen sich soeben die Gäste aus den anderen Vierteln Bondingors nieder. Neben den Zwergen, den Kaufleuten und Baron Berun mit seinem Gefolge erblickte Tomrin edel gekleidete Elfenabgesandte, würdevolle Zauberer aus der Magischen Universität und sogar einen massigen Minotauren, der kleine Zierringe auf seinen zwei mächtigen Hörnern trug. Sie alle nahmen in den vorderen Reihen Platz, während ihr Gefolge mit den hinteren vorliebnehmen musste. Tomrin, Hanissa und Bruder Barthian hatten Stühle in der letzten Reihe zugewiesen bekommen. Dahinter erstreckte sich ein Meer aus Xix.
Nachdem sie sich gesetzt hatten, geschah eine kurze Weile lang nichts, dann war plötzlich ein helles, vielstimmiges Pfeifen zu hören. Es musste bei den Xix wohl einer Trompetenfanfare entsprechen, denn gleich darauf betrat eine Reihe von Xix-Würdenträgern die Tribüne. Wie viele der anderen Anwesenden waren sie in lange, luftige Gewänder gekleidet, die vom Oberkörper herabfielen. Die weiblichen Xix hatten zudem ihre ausladenden Hinterleiber mit feinem Bronzegeschmeide geschmückt. Sie nahmen auf
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