Drachengasse 13, Band 03
Unsichtbarkeitszauber aus der nahen Magischen Universität getroffen worden. Es war, bis auf ein kleines Mauerstück mit Fenster, nicht mehr zu sehen und seitdem völlig in Vergessenheit geraten. Niemand außer den Freunden und dem mürrischen Wasserspeier von gegenüber wusste von ihm. Außerdem lagen in allen Zimmern noch seltsame Habseligkeiten des früheren Besitzers herum. Dieser, so glaubte Hanissa zu wissen, war ein Weltreisender gewesen. Man hätte doch meinen sollen, in einem solchen Haus gäbe es keine Langeweile.
Fleck quäkte erneut. Irrte Sando sich, oder klang er vorwurfsvoll?
„Hey, schau mich nicht so an! Interessierst du dich etwa für Königinnen und höfische Riten?“
Der Drache senkte den Kopf und vergrub die lange Schnauze unter den Vorderpfoten.
„Na also. Ich mich auch nicht.“
Obwohl Sando es niemals zugegeben hätte, war es vielleicht ein Fehler gewesen, sich den anderen heute nicht anzuschließen. Er fand die insektenartigen Heiler aus dem Norden der Stadt zwar auch faszinierend, hatte für königliches Gebaren aber eigentlich nichts übrig. All das Verbeugen und untertänige Getue, das an Höfen so üblich war, kam ihm albern vor, und der Hof der Xix war da sicher keine Ausnahme. Als Junge aus der Hafengegend liebte Sando die Freiheit und das Gefühl, tun und lassen zu können, was immer er wollte.
Aber irgendwie macht es keinen Spaß, tun und lassen zu können, was man will, dachte er, wenn niemand da ist, mit dem man es zusammen tun kann …
Diese Einsicht überraschte ihn. Obwohl er bislang eher ein Einzelgänger gewesen und meist allein durch Bondingors Straßen gestreift war, fehlte ihm plötzlich die Gesellschaft seiner Freunde. Nicht einmal die mysteriöse Kellerklappe im Erdgeschoss der Drachengasse 13, die sie bislang nicht hatten öffnen können, interessierte ihn noch sonderlich. Ohne Tomrin und Hanissa verlor sie irgendwie an Reiz.
Fleck war zu der kalten Feuerstelle getreten, die fast eine komplette Wand der großen Wohnstube der Drachengasse 13 einnahm. Als wittere er Sandos Lustlosigkeit, nahm er ein schmales, längliches Holzscheit ins Maul und hielt es ihm auffordernd hin.
Der Junge hob eine Augenbraue. „Ausgerechnet du willst Stöckchen spielen? Gib’s zu, du willst doch nur nett zu mir sein.“
Fleck war ein wenig ungeschickt und hatte erst vor Kurzem begriffen, wie das Apportierspiel überhaupt ging. Eigentlich war er kein Freund davon. Trotzdem bekräftigte er seine Absicht mit einem Schnauben.
„Komm, lass uns rausgehen“, schlug Sando lachend vor und sah zu den Zauberutensilien auf dem abgewetzten Tisch in der Zimmermitte hinüber. Hanissa experimentierte hier, weil sie das in der Magischen Universität, wo sie mit ihrer Mutter wohnte, nicht durfte. „Wenn wir im Haus Stöckchen werfen, bringt Nissa uns um. Die achtet wie ein Luchs darauf, dass ihren Fläschchen und Tiegeln nichts geschieht.“
Draußen stand die Sonne inzwischen hoch am Himmel. Sie vertrieb die letzten Schatten aus dem mit morschen Brettern, zerbrochenen Marktkisten und allerhand anderem Gerümpel vollgestellten Innenhof, der hinter den Häusern mit den Nummern 11 und 15 lag. Diese Gebäude und der Hof selbst verbargen die Drachengasse 13 vor ungebetenen Gästen.
Fleck japste ausgelassen, lief im Kreis um Sando herum und schnappte mit seiner langen Schnauze nach Staubteilchen im Sonnenlicht. Im Freien schien es ihm deutlich besser zu gefallen als im Haus.
„Dann mal los“, sagte Sando, holte mit dem Stöckchen aus und …
„Muss das sein?“
Reglos hielt Sando inne. Diese Stimme kannte er genau – so mürrisch klang hier nur einer.
„Könnt ihr nicht drinnen spielen, he? Müsst ihr jedes Mal rauskommen und mich bei meiner wohlverdienten Ruhepause stören?“
Sando schnaubte leise. Von wegen Ruhepause! Es hatte seit Tagen nicht geregnet. Das war keine Pause mehr, das waren Ferien. „Guten Morgen, Herr Glukk“, grüßte er den steinernen Wasserspeier mit dem Froschgesicht bemüht freundlich. „Wie geht es Euch?“ Alter Stinkstiefel , fügte er in Gedanken hinzu.
Glukk hing ganz oben an einer der Hauswände, die den Innenhof begrenzten. Als Wasserspeier hatte er nur bei Regenwetter zu arbeiten. Den Rest seiner Zeit verwendete er darauf, in der Sonne zu dösen und sich – so schien es Sando wenigstens – über alles und jeden aufzuregen, der ihn dabei störte.
„Ach, frag besser nicht. Die halbe Nacht musste ich mich mit einer Gruppe Kobolde streiten, die auf mir
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