Drachengasse 13, Band 03
erinnern sie sich jetzt. Also sollten auch wir schweigen und im Stillen der alten Königin gedenken.“
Tomrin seufzte innerlich. Schon wieder eine halbe Stunde still sitzen … Aber er hatte es ja so gewollt. Wortlos schaute er auf seine Füße hinunter. Dann schielte er zu Hanissa, die in stiller Andacht versunken schien. Anschließend nahm er die übrigen Würdenträger vor sich in Augenschein. Er begann sich gerade zu fragen, wie lange eine halbe Stunde wohl bei den Xix dauern mochte, als der Oberste Heiler vortrat und einigen Wächtern am Rand der Tribüne zunickte.
„Jetzt holen sie Zrkida“, erklärte Bruder Barthian.
Sogleich setzte Tomrin sich wieder aufrecht hin und blickte mit neu erwachtem Interesse auf die Tribüne. Damit schien er nicht allein zu sein. Überall in der Hauptkammer wurden Hälse gereckt, scharrten Xix mit den Füßen, und Mandibeln klickten leise wie im Flüsterton.
Ein schrilles Kreischen zerriss die erwartungsvolle Atmosphäre! Im nächsten Moment stürzte einer der Wächter auf die Tribüne und begann wie verrückt mit den Armen zu wedeln. Seine Kauwerkzeuge klackten wild.
Sofort setzte merkliche Unruhe ein.
„Was?“, rief einer der Xix in Menschensprache aus. Es war ein kräftiger Insektenmann mit bronzefarbenem Metallbrustharnisch und einem eigentümlich breiten Helm auf dem Schädel. „Das ist unerhört! Ein Verrat sondergleichen!“ Er verfiel in die Mundart der Xix und gab laut klackende Befehle.
Weiter vorn sah Tomrin seinen Vater aufstehen. „General Qalrx, was geht hier vor?“
Der Xix wandte sich zu Ritter Ronan um. „Die Königinlarve wurde aus ihrem Gemach entführt! Ihre Wächter sind alle tot, bis auf einen. Dieser ist schwer verletzt. Doch er hat den heimlichen Angreifer erkannt: Es war ein Mensch!“
„Bei den Zweigöttern“, murmelte Bruder Barthian erschüttert.
Tomrin ging ein ganz anderer Ausdruck durch den Kopf.
Die Unruhe überall in der Hauptkammer nahm zu. Xix begannen hin und her zu laufen und aufgeregt mit den Mandibeln zu klicken. Die Gäste sprangen von ihren Plätzen auf, sahen sich angespannt um und fingen an durcheinanderzureden.
„Es war niemand von uns!“, rief Ritter Ronan über den Lärm hinweg. „Das muss Euch klar sein. Wir sind Freunde der Xix.“
„Uns ist gar nichts mehr klar“, erwiderte der General. „Wir dürfen kein Risiko eingehen. Der Entführer darf nicht entkommen. Wir riegeln den ganzen Bau ab, bis wir ihn gefasst haben. Unser aller Überleben hängt davon ab, dass die Larve binnen zehn Stunden gefunden wird.“
„Zehn Stunden?“, wiederholte Tomrin verwirrt und blickte Bruder Barthian an. „Wieso das denn?“
Der Priester zuckte mit den Schultern.
„Weil sonst die Königliche Aura stirbt“, vernahmen sie plötzlich eine Stimme hinter sich.
Tomrin drehte sich um und erblickte einen Xix, der direkt hinter ihnen stand. Pure Angst zeichnete sich auf der Miene des Insektenmannes ab. „Und was heißt das?“, wollte Tomrin wissen.
„Dass sie wieder allein wären, so wie es einmal war“, erkannte Hanissa. Sie blickte den Xix an. „Nicht wahr?“
Der Xix schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein. Die Königliche Aura schenkt uns zwar auch Gemeinschaft, aber vor allem Frieden. Ohne sie … “ Seine Mandibeln zuckten eigenartig. „Ohne sie werden wir wieder zu den gefährlichen Monstern, die wir vor tausend Jahren waren.“ Er beugte sich ein wenig nach vorn, und ein schwaches Glitzern trat in seine Facettenaugen. „Wir werden wieder zu den gnadenlosen, unersättlichen Ungeheuern, die alles auslöschen, was sich ihnen in den Weg stellt.“
Kapitel 2
Eingesperrt!
Die hölzernen Stiegen der schmalen Treppe knarrten unter Sandos Sohlen, als er und Fleck ins Erdgeschoss der Drachengasse 13 zurückgingen. Sando seufzte. „So viel zum Arbeitszimmer … “
Fleck sah zu ihm auf. Der kleine Flugdrache mit den verkrüppelten Flügeln gab ein unzufrieden klingendes Quäken von sich.
„Ich verstehe genau, was du meinst.“ Sando strich ihm über den schuppigen Kopf. „Jetzt haben wir alle Zimmer durch und wissen noch immer nicht, was wir heute anstellen sollen. Irgendwie macht nichts richtig Spaß. Und so langsam gehen uns die Möglichkeiten aus.“
Es war zum Aus-der-Haut-fahren: Die Drachengasse13 gehörte sicher zu den interessantesten Flecken in ganz Bondingor. Das Haus, in dem sich Sando immer mit seinen Freunden Tomrin, Hanissa und Fleck traf, war einst von einem fehlgeleiteten
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