Drachengasse 13, Band 03
herumklettern und von hier aus den Sternenhimmel beobachten wollten. Und jetzt, wo ich endlich wieder meine Ruhe habe, kommst du mit deinem Drachen und machst neuen Krach.“ Glukk seufzte theatralisch. „Den machst du doch gleich, oder?“
Sando hielt dem vorwurfsvollen Blick des Steinwesens stand. „Fleck und ich wollen uns nur ein bisschen die Zeit vertreiben.“
„Sicher, sicher. Und ehe man sichs versieht, bröckelt hier der Putz von den Wänden, fallen Schrottberge in sich zusammen, und es zischen gelbe Lichtblitze hin und her, als wäre ein Magierkrieg ausgebrochen.“
Bei der Erwähnung der Blitze musste Sando schlucken. Hanissa war eine schlaue und talentierte Zauberin, aber an dem Tag hatte sie gründlich danebengegriffen. Das wird Glukk uns noch vorhalten, wenn wir schon alt und grau sind , dachte er . „Für die Blitze haben wir uns längst entschuldigt“, sagte er ebenso leise wie trotzig.
Glukk hörte ihn dennoch. „Und die alte Statue, die von den Blitzen pulverisiert wurde, ist euch für eure Entschuldigung auch sicher ganz doll dankbar“, spöttelte er. „Warum seid ihr eigentlich nicht mit den anderen zwei zusammen? Durften die heute nicht kommen?“
„Tomrin und Nissa sind im Norden der Stadt unterwegs“, antwortete Sando zerknirscht. „Bei den Xix. Tomrins Lehrer hat sie mitgenommen, sie besuchen die Krönungszeremonie.“
Glukk riss so erschrocken die Glupschaugen auf, dass das Gestein, aus dem er gemeißelt war, nur so knirschte. „Im Bau? Gütiger Wolkenbruch, Junge, sag bloß nicht, dass die beiden im Bau sind!“
„Äh … doch. Soweit ich weiß, findet die Krönung da statt.“ Sando wurde mulmig. So kannte er den Wasserspeier gar nicht. „Wieso? Bruder Barthian sagte, es sei völlig ungefährlich dort. Ich kenne zwar keinen Xix persönlich, wüsste aber nicht, dass von denen eine Bedrohung ausginge. Das sind doch allesamt freundliche Heiler.“
„Junge!“, sagte Glukk beschwörend. In seinem Blick, der eben noch voller Tadel gewesen war, lag nun etwas anderes. Etwas, das Sando wie Erschrecken vorkam. „Der Bau der Xix wurde heute Morgen völlig abgeriegelt! Mein Freund Gyrgel aus dem Ostend, das direkt an deren Gebiet grenzt, hat es mir vorhin gesagt. Die Xix … “ Er brach ab.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Sando, warum ausgerechnet die steinernen und so gut wie unbeweglichen Wasserspeier zu den am besten unterrichteten Bewohnern der gesamten Stadt gehörten. Doch der Großteil seiner Gedanken drehte sich um seine Freunde. Aus dem unguten Gefühl in seiner Magengegend war inzwischen Gewissheit geworden: Tomrin und Hanissa steckten in Schwierigkeiten! „Was?“, fragte er atemlos. „Was ist mit den Xix, Herr Glukk? Sagt es mir, bitte.“
Der Wasserspeier ließ den Kopf hängen, als habe er eine schlimme Nachricht erhalten. „Die Xix sind plötzlich wahnsinnig geworden. Gyrgel sagt, sie hätten alle ihre Besucher gefangen genommen und die Beherrschung über sich verloren. Er sagt, die Xix seien seit heute eine Gefahr für sich selbst und jeden in ihrer Nähe.“
Sando starrte ihn an. Vor seinem geistigen Auge sah er die dürren, fremdartigen, freundlichen Insektenwesen in ihren Heilerroben und versuchte, sich ausgerechnet sie als wilden Mob vorzustellen. Es gelang ihm nicht. Dennoch zweifelte er nicht an Glukks Worten.
„Fleck“, sagte er erschüttert und ließ den Stock aus seiner Hand fallen, „komm her. Wir müssen zum Bau und nachsehen, was passiert ist.“
Augenblicke später rannte Sando aus dem schmalen Durchgang zwischen den Häusern 11 und 15 hinaus auf die Drachengasse, und der Jungdrache folgte ihm.
„Zurück!“ Stadtmarschall Feylor von Garstings Befehl hallte über die kopfsteingepflasterte Straße, die das Musenfeld vom Gebiet der Xix trennte. „Verdammt noch mal, bleibt zurück!“ Sein prachtvoller Schimmel schnaubte, als Feylor auf ihm an den Schaulustigen vorbeitrabte. Das gezückte Schwert des Stadtmarschalls glänzte in der Mittagssonne. „Ich schwöre euch, der Nächste, der auch nur einen Schritt über diese Straße wagt, verbringt die Nacht im Kerker!“
Sando stockte der Atem. Er war gerade angekommen, und das Chaos übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Überall standen Leute herum – Menschen, Zwerge, Trolle, Elfen und andere – und glotzten zu den Bauten der Xix hinüber. Sie mussten ebenfalls von den Vorfällen gehört haben und gekommen sein, um zu schauen, was los war.
Wäre die Stadtgarde nicht vor Ort
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