Drachengasse 13, Band 03
Quox’ Ortskenntnis von unschätzbarem Wert. Sando staunte, dass sich hier überhaupt jemand auskannte; dem jungen Xix allerdings schien der Bau ebenso vertraut zu sein wie Sando das Hafenviertel.
Im Bau war es überraschend ruhig. Zwar drang gelegentlich wildes Gebrüll an Sandos Ohren, doch kam es stets aus einiger Entfernung und war nie von Dauer. Vielleicht, so dachte er, kam es ihm auch nur so ruhig vor, weil Quox Pip immer wieder stoppte, wenn die Spürechse zu belebte Ecken ansteuerte. Sando war das nur recht. Je weniger Leuten sie begegneten, desto besser waren ihre Aussichten, Tomrin, Hanissa und die anderen unentdeckt zu erreichen. Hoffentlich geht es ihnen gut. Er schluckte trocken.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Pip endlich langsamer wurde. Schließlich hielt sie sogar an und flatterte auf der Stelle.
„Hier müssen sie irgendwo sein“, flüsterte Sando und spitzte die Ohren.
Die Spürechse hatte sie an eine Weggabelung irgendwo im ersten Stock des Baus geführt, von der drei schmale Wege abgingen.
„Das kann nicht sein“, raunte Quox. „Rechts und links gelangen wir zurück zur Hauptkammer, um die wir gerade erst herumgeschlichen sind. Da werden deine Freunde nicht sein. Geradeaus sind sie aber noch weniger, da kämen wir nämlich direkt ins … “
Sando hob die Hand. War da nicht ein Geräusch? Tatsächlich – im mittleren Gang!
Da spricht doch jemand in Menschensprache , dachte er. Vorsichtig schlich er näher.
„Keinen Schritt weiter! Ich glaube euch kein Wort“, zischte es vor ihnen. Unverkennbare Klicklaute begleiteten die Worte und wiesen den Sprecher als Xix aus. „Ihr treibt euch hier bei den Gemächern der Königinlarve herum. Das gefällt mir gar nicht! Hände hoch und keinen Mucks, verstanden? Sonst hat euer letztes Stündlein geschlagen.“ Dem wahnsinnigen Gurgeln nach zu urteilen, das auf jeden Satz folgte, musste der Xix arg um seine Beherrschung kämpfen.
„Wartet“, rief Tomrin. „Wir wollten nur … “
Nun fauchte der Xix regelrecht. „Schweig, Mensch!“
Tomrin keuchte. Hanissas Schrei hallte von den Wänden wider.
„Los!“, raunte Sando. „Wir müssen ihnen helfen!“
Quox nickte, und gemeinsam stürmten sie los. Keinen Augenblick zu spät, wie sich schon hinter der nächsten Wegbiegung zeigte. Tomrin und Hanissa standen Rücken an Rücken in der Mitte des Ganges, kurz vor einer abwärts führenden Rampe, und zwei Xix-Soldaten hielten sie mit speerähnlichen Waffen in Schach. Einer der Soldaten neigte zur Körperfülle, wohingegen der zweite umso dürrer war. Beiden zu eigen waren allerdings ein wütendes Funkeln in ihren Facettenaugen und ein wildes Zucken ihrer Mandibeln. Auch ihre Waffen zuckten. Der Dicke hatte mit seinem Speer offenbar soeben nach Tomrin gestochen und diesen nur knapp verfehlt!
Sando zögerte nicht. Mit einem gewagten Sprung stürzte er sich auf den Schurken und riss ihn von den Beinen. Die Überraschung des Mannes nutzend, zwang er ihm die Waffe aus der Hand. Doch der Xix fing sich erstaunlichschnell und schlug mit seinen langen Armen nach ihm.
Dann war Tomrin herbei. Ohne ein Wort zu verlieren, eilte er Sando zu Hilfe, ergriff die Arme des Insektenwesens und hielt sie fest.
„Alles in Ordnung?“, fragte Sando. Er rieb sich die Wange, denn ein Hieb des Soldaten hatte ihn getroffen und eine blutende Schramme hinterlassen.
„Jetzt ja“, antwortete Tomrin und grunzte angestrengt. Gemeinsam konnten sie den Xix gerade so am Boden halten. Lange würde ihnen das aber nicht gelingen, denn der Insektenmann wehrte sich nach Kräften. „Und was machen wir jetzt?“
Sando sah sich um. So weit hatte er gar nicht gedacht.
Quox, Hanissa und Fleck hatten derweil den schmächtigeren Xix überrumpelt. Quox und der Drache hielten ihn in Schach, während sich Hanissa abwandte. Obwohl sie vor Anstrengung schwitzte und schwer atmete, zwinkerte sie Sando zu.
„Keine Sorge, Jungs“, stieß sie hervor. „Ich hab da was.“ Dann griff sie in den Beutel, den sie an der Hüfte trug, zog einen kleinen Gegenstand hervor und schleuderte ihn mit aller Kraft zu Boden.
Sofort stiegen dichte weiße Rauchwolken auf. Zwei Augenblicke später sah Sando die Hand nicht mehr vor Augen. Ein Nebelzauber?
„Flieht, Jungs!“, drang Hanissas Stimme an sein Ohr. „Lauft, so schnell ihr könnt!“
Just als er sich fragte, wo denn der Ausgang sei, ergriff plötzlich eine warme Mädchenhand die seine und zerrte ihn mit sich in die weißen
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