Drachengasse 13, Band 04
er. „Grott hat nur ne Ausnahme gemacht, weiler den Klein hier mag. Nich wegn euch!“ Ein breites, an Fleck gerichtetes Grinsen bewies, wen er meinte – und dass Grott kaum noch Zähne hatte, die nicht schwarz und schief waren.
„Wandelnde Spiegelbilder“, murmelte Sando. Er sah fassungslos aus.
„Die Menschen überfallen“, ergänzte Tomrin. „In dieser Stadt gibt es echt nichts, was es nicht gibt.“
„Was sie wohl damit gemeint haben“, fragte sich Hanissa laut, „mächtige Personen für ihre Sache gewinnen zu wollen?“
„Was immer es ist, es ist bestimmt nichts Gutes.“ Tomrin betrachtete seine Handgelenke. Die Fesseln hatten deutliche Spuren hinterlassen. „Ohne Fleck und Herrn Grott hätten wir uns nicht befreien können. Vielen Dank für Eure Hilfe.“
Der Kobold schüttelte sich vor Ekel. „Will euern Dank nich, willich. Wenner wirklich meint, in meiner Schuld zu stehn, dann versprecht mir, niemanm zu verratn, dassich euch geholfn hab. Könnt mich in meiner Sippe nich mehr blickn lassn, wenn das rauskäm.“
„Das versprechen wir gern“, erwiderte Hanissa. Sie lächelte dem eigensinnigen Wesen freundlich zu, wusste aber nicht, ob das den Kobold irgendwie beruhigte.
„InOrdnung.Danngehichjetzwieda.BeiSonnenaufgangissesdaobenaufmDachimmeramschönsten – vorausgesetzt,derolleWasserspeiermaultnichwiedarumwienHafenarbeiter,demnvollesBierfassaufnFußgefallnis.“
Sprach’s, stand vom schmutzigen Kellerboden auf und stapfte entschlossen zurück zur Stiege ins Erdgeschoss. Die vier Freunde würdigte er keines Blickes mehr.
Typisch Kobold , dachte Hanissa. Irgendwie freute sie sich fast über die Arroganz des kleinen Kerls. Nach der schrecklichen Nacht in Fesseln tat ein wenig Humor richtig gut, auch wenn der Kobold das alles eigentlich gar nicht witzig meinte.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Tomrin. „Rufen wir die Garde? Irgendwer muss diese Wesen aus dem Spiegel schließlich aufhalten.“
„Wir sollten jedenfalls nicht hier sein, wenn sie zurückkommen“, fand Sando. „Zumindest nicht ohne ein paar Waffen.“
Hanissa erhob sich und klopfte sich den Staub vom Kleid. „Lasst mich mal was ausprobieren, Jungs.“ Sie ging in den Kellerflur und auf die Tür zum Spiegelzimmer zu.
„Bist du wahnsinnig?“, entfuhr es Tomrin. „Bleib lieber weg da. Wer weiß, was passiert, wenn wir noch mal in das schreckliche Ding gucken.“
„Ich hab da eine Vermutung.“ Unbeirrt ging Hanissa weiter, öffnete die Tür und betrat den Raum.
Wie sie es sich gedacht hatte, war jenseits der Schwelle alles beim Alten. Das Tuch, das sie vor Stunden von dem riesigen Spiegel gezogen hatten, lag noch am Boden, gleich neben dem Kerzenstummel, den sie verloren hatten. Ansonsten war die Kammer noch immer völlig leer – abgesehen vom Spiegel natürlich. Langsam näherte sie sich ihm. Ihr Herz pochte wie wild, doch ihr Verstand sagte ihr, dass es keinen Grund für ihre Angst gab.
Vorausgesetzt, ich liege nicht falsch! , schoss es ihr durch den Kopf.
Vor dem Spiegel angekommen, hob sie den Kerzenstummel auf, zündete ihn an und hielt ihn in die Höhe. Sie sah ihren Verdacht bestätigt.
„Kein Bild.“ Sando war neben sie getreten und staunte. „Du hast kein Spiegelbild mehr, Nissa.“
„Du auch nicht, schau.“
Obwohl die beiden direkt vor dem Spiegel standen, sahen sie in ihm nur das vom Kerzenschein erleuchtete Zimmer, die Kerze selbst, die im Spiegelbild in der Luft zu schweben schien – und sonst nichts. Ihr Bild warf der Spiegel nicht zurück.
„Genau das habe ich mir gedacht“, sagte Hanissa.
Einen kurzen Moment lang standen die Freunde einfach da, schweigend und ratlos. Dann klatschte Tomrin, der inzwischen ebenfalls ins Zimmer getreten war, in die Hände. „Ich weiß nicht, was ihr macht, aber ich gehe zu meinem Vater. Wenn die Spiegler wirklich auf mächtige Personen aus sind, könnte er in Gefahr sein.“
„Guter Gedanke“, fand Sando. „Ich komme mit. Nissa?“
Sie schüttelte den Kopf und sah zum Spiegel. „Ich nutze die Zeit lieber, um diesem Ding hier auf den Grund zu gehen. Mal sehen, ob ich herausfinden kann, woher es stammt und was genau es bewirkt.“
„Wer soll dir das denn sagen?“, wunderte sich Tomrin. „Der Spiegel steht wahrscheinlich schon ewig hier unten.“
Hanissa lächelte. „Erinnert ihr euch noch daran, wie ich das unsichtbare Haus gefunden
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