Drachengold: Roman (German Edition)
der Fall war. Erst jetzt dämmerte ihm, wie absurd das war: Wer könnte die Züchtung von Drachen besser lenken als die Drachen selbst? Wenn sich Lien mit diesen Fragen eingehend beschäftigt hatte, dann würde Frankreich von ihrem Rat weitaus mehr profitieren als von jedem eigenen Ei von ihr.
»Der Kapitän gewährt Ihnen die Freiheit, sich von zwei bis vier Glasen der Nachmittagswache jeweils einer nach dem anderen auf dem Achterdeck die Beine zu vertreten«, sagte De Guignes, »und natürlich werden Sie sich vom Wohlergehen Ihrer Männer überzeugen wollen. Ich bin untröstlich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass sie aufgrund ihrer großen Anzahl im Schiffsgefängnis untergebracht sind, aber es werden alle erdenklichen Anstrengungen unternommen …«
»Ich verstehe das voll und ganz, und Ihre Versicherung, dass es ihnen gut geht, reicht mir aus«, unterbrach ihn Laurence. Er hätte auch keinerlei Einwände erhoben, wenn die Seeleute in Ketten gelegt und bei käferbefallenem Zwieback und brackigem Wasser gehalten würden. »Wenn es allerdings eine Möglichkeit gäbe, unsere Offiziere und die Flugmannschaften ein wenig komfortabler unterzubringen, wäre ich sehr dankbar. Ich bürge dafür, dass sie sich an ihr Ehrenwort halten, wenn sie bereit sind, es zu geben.«
De Guignes verbeugte sich zustimmend.
Es war ihm gelungen, die vorangegangenen Streitigkeiten unter den Drachen beizulegen. »Nichts, weswegen Sie sich Sorgen machen müssten, Gentlemen«, sagte er. »Nur ein winziges Missverständnis, welches damit zu tun hat, dass Kapitän Thibaux mit der Natur der Drachen nicht vertraut ist. Er hat das Kommando frisch übernommen, müssen Sie wissen. Aber inzwischen ist alles geklärt. Auch wenn ich Sie, Kapitän Granby, nicht allzu sehr um Ihr Tier beneiden kann«, fügte er mit einem Anflug von gutmütigem Spott hinzu, für den Granby sich jedoch nicht sehr zugänglich zeigte, wie sein verkniffener Mund verriet.
»Aber Sir«, sagte Laurence, »ich muss Sie bitten, mir eine ehrliche Antwort zu geben: Strapazieren wir Ihre Vorräte nicht zu sehr? Drei Drachen der Schwergewichtsklasse zusätzlich zur sonstigen Belegung …«
»Vielleicht sind wir ein wenig unzureichend ausgestattet«, antwortete De Guignes, »aber ich bitte Sie: Machen Sie sich keine Gedanken. Ich habe die Angelegenheit mit dem Kapitän und unseren Fliegern besprochen, und mir wurde versichert, dass es keinen Anlass zur Sorge gibt. Die Drachen verbringen reihum einige Zeit in der Luft, und wenn wir die Nahrungsmittel einteilen und zusätzlich auf Fischfang gehen, dann lässt es sich schon so einrichten, dass alle Drachen versorgt werden, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße, wie sie es gerne hätten.«
»Alles ist in Ordnung«, rief ihm Temeraire am nächsten Morgen auf dem Achterdeck zu – auf Englisch. De Guignes hatte den sanften Hinweis fallen lassen, dass Gespräche der Kapitäne mit ihren jeweiligen Drachen in einer Sprache, die nicht allgemein verstanden wurde, vielleicht falsch aufgefasst werden könnten. »Iskierka jammert wegen des Seetangs …«
»Das würde jeder andere auch«, mischte sie sich ein, ohne ihre Augen zu öffnen oder den Kopf zu heben. »Er schmeckt faulig, und es ist ganz großer Unsinn, dass das in China eine Delikatesse sein soll. Ich will jetzt eine Kuh.«
»Tja, es gibt hier aber keine Kühe für uns«, sagte Temeraire, »und ich halte es für sehr schlechte Manieren, wenn man sich beklagt, obwohl man Gast ist.«
»Seetang?«, erkundigte sich Laurence verblüfft.
»Im Augenblick hat Ardenteuse das Netz; du kannst sie da oben sehen«, erklärte Temeraire und machte mit dem Maul eine Geste in Richtung des Chanson-de-Guerre, der mit einem langen, baumelnden Tau in den Klauen neben dem Transporter herflog. Kurz darauf zog das Drachenweibchen ein feinmaschiges Fischernetz aus dem Wasser, das voll dunkelgrünem Seetang war, in dem silberne Fischleiber zappelten.
»Sie könnten ja wenigstens für uns die Fische heraussammeln«, knurrte Iskierka. »Stattdessen geben sie uns alles miteinander vermischt. Und außerdem sind wir keine Gäste. Wir sind Gefangene, denn schließlich haben wir uns ergeben «, hier wurde ihr Tonfall ausgesprochen mürrisch, »und deshalb kann ich mich beschweren, so viel ich will.«
»Es ist auch überhaupt nicht schlimm, den halben Tag in der Luft zu verbringen«, fuhr Temeraire fort, indem er Iskierkas Einwürfe einfach ignorierte, »solange man weiß, dass man hinterher wieder landen und
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