Drachengold: Roman (German Edition)
irgendeinem Auftrag vom Lager fortzuschicken, und er achtete peinlich darauf, dass sich keiner der Seeleeute in dieselbe Richtung verirrte.
Laurence hätte eine Menge dafür gegeben, wenn in dem Haufen auch nur ein einziger Bursche gewesen wäre, den er zum Bootsmann hätte erklären können. Aber wenn es irgendwelche vertrauenswürdigen Männer geben sollte, dann hatten sie sich noch nicht hervorgetan. O’Dea und Shipley gehörten nicht direkt zu den Matrosen, sondern standen eher auf Laurence’ Seite. O’Dea hatte es während ihres Aufenthaltes auf der Triomphe spürbar genossen, düstere Prophezeiungen über die Teufelskraft des Alkohols von sich zu geben – er sprach da durchaus aus Erfahrung – und sich über die schlimmen Auswirkungen auf den Charakter von Seeleuten zu äußern, die diesem Laster verfallen waren. Seine eigene Beteiligung an der Plünderung der Vorräte bestritt er heftig: Er hatte keine Wache gehabt, hörte man ihn tugendhaft beteuern.
Shipley war in der Zwischenzeit ehrgeizig geworden. Er hatte zu begreifen begonnen, wie schlecht bestückt die Flieger zahlenmäßig waren, dass ein Mann, der sich ein wenig geschickt und arbeitswillig zeigte, sehr schnell seine früheren Erwartungen übertreffen konnte. Er war Schneider gewesen, ehe unglückliche Umstände zu seiner Verurteilung und seiner Zwangsverschiffung geführt hatten. Mit dem Verlust von Fellowes bestand ganz offensichtlich Bedarf an einem neuen Geschirrmeister. Zwar gab es im Augenblick überhaupt kein Geschirr, an dem er hätte arbeiten können, aber er machte sich trotzdem nützlich und hielt sich gewissenhaft von den Matrosen fern. Von ihnen unternahm ebenfalls keiner den Versuch einer Annäherung.
Wenn überhaupt, dann wäre Mayhew der beste Kandidat, ein altgedienter Bursche und einer der rar gesäten fähigen Seeleute, der sogar einmal in den Rang eines Kapitänsgehilfen befördert worden war, ehe er wegen Trunkenheit wieder degradiert worden war. Er mochte sich durchaus als brauchbar erweisen. Aber er hatte eine Menge Rauch eingeatmet, ehe er vom Wrack der Allegiance gerettet worden war, und noch immer hustete er sich schier die Seele aus dem Leib. Auf jeden Fall hatte er noch keinerlei Anstrengungen unternommen, sich bei seinen Kameraden Respekt zu verschaffen.
Stattdessen erfreuten sich Urquhart und Handes der größten Beliebtheit und wurden nach der ersten Woche sogar losgeschickt, um mit Laurence über die Unzufriedenheit der Seeleute zu sprechen. »Es ist schwer, bei so knapper Kost gehalten zu werden, Kapitän«, begann Urquhart mit unruhigem, ausweichendem Blick, der verriet, wie wenig es ihm gefiel, sich an Laurence wenden zu müssen, anstatt einfach inmitten seiner Kameraden zu murren. »… entsetzlich schwer, nach all den Schwierigkeiten, die wir hatten. Wir hoffen, dass Sie es sich noch einmal anders überlegen …«
Laurence hörte sich das Gerede an, die Lippen zornig zusammengepresst, während Urquhart abbrach und sich im Nachklang seiner Worte eilends ein Stück zurückzog. Handes jedoch war weniger feinfühlig und fügte mit schamloser Dreistigkeit hinzu: »Es ist nicht gut, wenn wir hier so weitermachen, als wären wir noch immer an Bord, und wenn die Offiziere nicht aufhören, so arrogant aufzutreten. Die Vorratskammern müssen geöffnet werden, und der Inhalt gehört anständig verteilt. Wir sollten lieber zwei Mahlzeiten am Tag einnehmen als nur eine, und die Drachen könnten uns auch noch ein paar Fische bringen, anstatt sie tagein, tagaus selber zu verschlingen.«
Die Wortwahl allein zeugte schon von völliger Respektlosigkeit und enthüllte ein extremes Ausmaß an Dummheit. Die Beleidigung wurde noch dadurch schlimmer, dass Handes beim Sprechen in einem bedeutungsschwangeren Rhythmus eine seiner großen Fäuste in die andere Hand schlug, als wolle er seine Forderungen mit einer Drohung unterstreichen. Temeraire war zu diesem Zeitpunkt gerade auf der Jagd.
Aber Laurence war weder hager, noch hatte er hängende Schultern, und er hatte einst – eine kurze und unglückliche Zeit lang – als Leutnant unter einem raubeinigen Kapitän gedient. Während seines eigenen Kommandos hatte er es nie für nötig gehalten, auf ähnliche Verhaltensmuster zurückzugreifen, was aber nicht bedeutete, dass er vor ihnen zurückschreckte. Er beugte sich vor und griff sich ein Scheit aus dem brennenden Feuer, das er Handes mit solcher Wucht in die Magengrube stieß, dass dieser sich zusammenkrümmte. Dann ließ
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