Drachengold: Roman (German Edition)
Drachen in dieser Stadt aufhalten?«, fragte Laurence leise Temeraire.
»Ganz gewiss doch. Dies ist die drittgrößte Stadt von Chirisuyo und vielleicht die elftgrößte in ganz Pusantinsuyo«, erklärte Hualpa. Damit war, wie er weiter ausführte, die südlichste Provinz des Reiches gemeint, eine von acht Provinzen dieser Art und der am zweitdichtesten besiedelte Teil. Eine schnell im Sand gezeichnete Skizze ergab, dass sich das Königreich seit der Regierungszeit des vorletzten Sapa Inka inzwischen bis zur Magellanstraße hin ausgebreitet hatte.
»Wenn auch nur die Hälfte der einheimischen Drachen hier lebt, was ich allerdings für unwahrscheinlich halte«, sagte Hammond, »dann gibt es in sieben weiteren solchen Städten – wenn man die Tiere, die in den entlegeneren Gebieten leben, außer Betracht lässt …«
Seine Berechnungen wurden unterbrochen, als alle Drachen aus voller Kehle zu brüllen begannen. Etwas verspätet setzten sich auch Kulingile und Temeraire auf und stimmten ein. Noch ehe der Lärm verklungen war, warf sich der Copacati in die Luft, und Iskierka schoss hinter ihm her.
Ihre ersten Annäherungen waren nur Vorgeplänkel. Der Copacati flog heran und zog sich unmittelbar darauf wieder zurück, was nichts als ein Täuschungsmanöver gewesen war. Iskierka schnappte blitzschnell nach ihm, ohne sich jedoch von ihm näher locken zu lassen. Allein das Geräusch ihrer aufeinanderklappenden Kiefer reichte aus, um ihn zurückzudrängen. Die Schatten der Drachen auf dem Boden zeigten ihre jeweilige Position an. Temeraire hatte herausgefunden, dass ihre Auseinandersetzung auf den Hof beschränkt war; die Grenzen zu überschreiten war gleichbedeutend mit einer Aufgabe. Laurence konnte sehen, dass Iskierka rasch ihren Blick durch die Arena schweifen ließ, ehe sie ihren ersten eigenen Scheinangriff startete.
Sie schraubte sich der Sonne entgegen und stürzte sich dann von oben mit ausgestreckten Klauen hinab. Der Copacati schien einen Moment zu langsam zu reagieren …
»Zur Hölle, das ist eine Finte, verdammt noch mal«, schrie Granby Iskierka zu, »du darfst nicht …«
Zu spät: Sie raste auf den dargebotenen Rücken des Copacatis zu, und während ihres Sinkfluges spannte der andere Drache urplötzlich seinen ganzen Köper an, drehte sich um und bog sich wie ein Klappmesser zusammen, sodass er Iskierka mit gebleckten Zähnen, die bereits nass glänzten, erwartete. Ein leises, bewunderndes Zischen war auf den Rängen zu hören; die Drachen richteten sich erwartungsvoll auf.
Aber Iskierka war bereits von ihrem gradlinigen Kurs abgewichen. Laurence bemerkte, dass der Ansatz dieser Richtungsänderung von der Sonne in ihrem Rücken verschleiert worden war. Iskierka entrollte ihren Schwanz, und dessen Gewicht zog sie mit sich: Sie brach zur Seite aus und verließ damit den Angriffsradius des Copacatis. Allerdings war es, wie Laurence durch sein Fernrohr verfolgen konnte, eher eine Frage von Zentimetern als von Metern. Aber es hatte gereicht. In Kreisen flogen die beiden Tiere nun wieder zu den entgegengesetzten Enden der Hofbegrenzung.
Die zuschauenden Drachen waren offenbar willens, unvoreingenommen zu urteilen, und so zischten sie auch für Iskierka beifällig oder sogar mit lauterer Begeisterung. Hualpa flüsterte Temeraire etwas zu. »Er sagt, dass sich hier ein exzellenter Kampf abzeichnet, der den Göttern zur Ehre gereicht«, übersetzte Hammond, »und der vielleicht mit …« Er wurde langsamer und fuhr dann stockend fort: »… einem Toten endet. Aber so, wie ich das verstanden habe, Kapitän Granby, kommt das höchst selten vor.«
»Das war aber ein geschicktes Ausweichmanöver«, räumte Temeraire dann unwillig ein. »Und der Copacati war auch nicht schlecht. Aber ich glaube kaum, dass man ihn zu den gefährlichsten Drachenrassen zählen kann. Du siehst ja, Laurence, dass er nicht einmal probiert hat, Iskierka anzuspucken. Das bedeutet, dass seine Giftreserven begrenzt sind, sonst hätte er auf jeden Fall einen Versuch unternommen. Vielleicht muss er sogar zubeißen, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen.«
Der Copacati flog nun beinahe senkrecht in die Höhe, schwänzelte dabei mit seinem Körper und bot seinen Bauch an: eine Provokation, auf die Iskierka nur zu gerne ansprang. Sie schoss mit weit aufgerissenen Kiefern quer über die offene Fläche auf ihn zu, und Laurence glaubte, dass sie vielleicht eine Flamme ausstoßen wollte. Doch stattdessen drehte sie erneut kurz vor ihrem Ziel
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