Drachengold: Roman (German Edition)
richtig einzuschätzen, und sie überlegten sich nun, wie sie einen Vorteil erringen konnten.
Der Copacati hatte jedenfalls Iskierkas große Schwäche gewittert. Er zog in gemütlichem Tempo seine Kreise und zuckte träge mit dem Schwanz, als wollte er unmissverständlich deutlich machen, dass er auf diese Weise weitermachen könnte, solange er wollte. Er beobachtete Iskierka mit geöffnetem Maul, unternahm aber keinen Vorstoß in ihre Richtung. »Oh, der soll verflucht sein!«, stöhnte Granby.
Dieses Mal musste der Copacati gar nicht seinen ungeschützten Bauch anbieten, um Iskierka in Versuchung zu führen. Nachdem diese ein halbes Dutzend Mal im Kreis geflogen war, hatte sie die Untätigkeit sichtlich satt und schnaubte ungeduldig. Sie verließ ihre Position, verzichtete auf jeden Vorteil und setzte zu einem Angriffsflug auf den Copacati an. Dieser vollendete seinen Kreis, und es schien so, als wollte er einen neuen beginnen, was dazu führen würde, dass er unmittelbar an dessen Ende mit ihr zusammenstoßen würde. Doch als Iskierka näher kam, schlug er unvermittelt zweimal mit den Flügeln und schoss mit überraschender Schnelligkeit und weit aufgerissenen Kiefern auf sie zu.
Er drehte seinen Kopf auf den Rücken und sah für einen kurzen Moment wie eine Kobra aus, die sich zum Angriff bereit macht. Dann sprühte er Gift. Aber in ebenjenem Moment öffnete auch die näher kommende Iskierka ihr Maul, und eine Flamme stieg aus ihrer Kehle auf und durchschnitt die Luft zwischen ihnen.
Der dünne, schwarze Giftstrahl wurde erfasst und versengt. Der Gestank war so beißend, dass es bis zur Tribüne hinab zu riechen war. Eine schwarze Säurewolke stieg auf, und die beiden Drachen entfernten sich in verschiedene Richtungen. Der Copacati stieß beim Davonflattern leise Schmerzensschreie aus, und auf seinem Gesicht und seinen Vorderbeinen zeichneten sich schwarze Brandmale ab, die auf den silbernen Schuppen überdeutlich zu erkennen waren. Iskierka gab nicht auf; sie flog in einem Halbkreis zurück, ging noch einmal auf ihn los und spuckte eine weitere Feuerzunge, der der Copacati ausweichen musste, und dann noch eine. Mit einem Mal brüllten alle Drachen auf, denn der Schatten des Copacatis hatte die Hofbegrenzung verlassen und war auf einen in der Nähe fließenden Bach gefallen.
9
»Höchst bemerkenswert«, sagte Hualpa immer wieder und nickte anerkennend, wäh rend Iskierka strahlte. Manca Copacati hockte missmutig und zusammengesunken am anderen Ende des Hofes, während einige Helfer seine Verletzungen mit warmem Wasser aus den Brunnen auswuschen und eine Art Salbe auftrugen.
»Aber schließlich wusste er ja nicht, dass Iskierka Feuer spucken kann. Mir kommt das wie ein … wie ein – aber nur ganz wenig hinterhältiger – Trick vor, der ihr zum Sieg verholfen hat. Auf jeden Fall ist es nicht ganz so beeindruckend, als wenn er es tatsächlich gewusst hätte …«, sagte Temeraire, oder besser: wollte Temeraire sagen. Aber am Ende brachte er es nicht über sich. Es kam ihm zu missgünstig vor, und um nichts in der Welt wollte er sich diesen Vorwurf von Laurence einhandeln. Stattdessen also gratulierte er Iskierka widerwillig: »Das war gut gekämpft«, und beschloss insgeheim, dass er, sollte sich das nächste Mal die Notwendigkeit eines Kampfes ergeben, unter Beweis stellen würde, wozu er fähig war.
»Ja«, sagte Iskierka selbstzufrieden, »und ich nehme an, dass sie nicht noch einmal auf die Idee kommen, mich zum Zweikampf herauszufordern. Jetzt kannst du diesem Gouverneur sagen, wir würden gerne erfahren, auf welchem Weg wir Taruca nach Hause bringen können.«
Aber das musste noch einen Augenblick warten, denn in diesem Moment wurden mehrere große Braten in den Hof gebracht: Lamas an Spießen, deren Fett brutzelnd auf den Boden tropfte, während die jungen Männer sie, unter dem Gewicht schwankend, hereintrugen. Zwei besonders lecker aussehende Tiere wurden vor Iskierka abgeladen, die sich unverzüglich darüber hermachte.
»Hm«, sagte Hualpa und knabberte nachdenklich an seinem Spieß, als er fertig war – das Holz hatte einen interessanten Geschmack und war angenehm auf der Zunge, wenn das Fleisch verzehrt war. »Dann wollen Sie ihm also wirklich die Freiheit wiedergeben? Ich dachte, Sie würden das nur als Ausrede vorschieben.«
»Warum sollten wir uns so etwas ausdenken?«, fragte Temeraire. »Es ist nicht so, dass Iskierka – oder irgendein anderer von uns! – etwas gegen ein
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