Drachenjagd
verlockend in seine Nase.
Alles war wie immer. War es nur Einbildung gewesen?
Er schlenderte weiter. Keine zehn Schritte später hörte er die Stimme erneut.
»Assassine!«
Ruhe bewahren, ermahnte er sich. Um ihn herum brach keine Panik aus, kein lautes Geschrei nach der Wache ertönte. Niemand reagierte, als ob die Stimme nur in seinem Kopf war. Waren das erste Vorboten des Wahnsinns?
Ein kalter Schauder rann seinen Rücken hinab.
Schnell nach Hause, ein heißes Bad, ein Glas Wein, dann ginge es ihm gleich besser. Er beschleunigte seine Schritte, da erfühlte er einen harten Gegenstand in seiner Hosentasche. Thanan zog die rechte Hand heraus.
Am Ringfinger prangte ein prächtiger feuerroter Rubinring.
Der Ring des alten Kaufmanns.
Erschrocken verbarg Thanan die Hand, versuchte, den Ring abzustreifen. Doch der saß fest, bewegte sich keinen Millimeter. Er zwang sich zur Ruhe. Das fehlte gerade noch, dass er vor dutzenden Augenzeugen durch sein verdächtiges Verhalten eine deutliche Spur für die Wachen hinterließ.
Thanans Haus befand sich am Rande des Händlerviertels in der Elfenstadt Symalia. Ein hübsches kleines Fachwerkhaus, weder auffallend reich, noch arm, gehobener Mittelstand. Er zückte den Schlüssel und trat ein. Die Tür fiel mit einem schweren Klicken ins Schloss, Thanan streifte die Kapuze ab und ließ sich in einen Sessel fallen.
Sein Blick wanderte zu dem Ring.
Verdammtes Ding.
Er zerrte, fluchte, zog, schimpfte, biss vor Anstrengung die Zähne zusammen, schrie ihn wütend an. Das alles brachte nichts. Er steckte fest an seiner Hand, ließ sich nicht einmal bewegen.
Was war das für eine verfluchte Magie?
Verflucht? Thanan erbleichte. War der Ring mit einem Fluch belegt? Der seine Lebenskraft aussaugte. Oder ihn langsam in einen Zombie verwandelte. Oder ... Thanans Vorstellungskraft schienen keine Grenzen gesetzt.
Kurzerhand zückte er den Dolch und ging in die Küche. Die Hand auf den Holztisch gepresst, die Finger gespreizt, setzte er am Ansatz des Ringfingers an.
Sein Atem ging stoßweise. Er schloss die Augen.
Ein Finger. Was war schon ein Finger? Es gab noch neun weitere ...
Thanan legte seine ganze Kraft in den Schnitt, presste den Dolch nach unten. Verdutzt öffnete er ein Auge. Seine Hand bewegte sich nicht. Er spannte seine Muskeln bis zum Äußersten an, dennoch blieb sie regungslos.
»Was ist das für eine Teufelei?«, keuchte er.
Gegen seinen Willen hob sich die linke Hand, den Dolch fest umschlungen. Die Finger waren von der Anstrengung weiß, der ganze Arm zitterte.
Mit weit aufgeklapptem Mund beobachtete Thanan, wie sein Körper ein Eigenleben entwickelte und der Arm langsam nach unten wanderte.
In die Leistengegend.
»Nein!«, schrie er und sprang auf. Ein Finger war eine Sache, aber das … ging zu weit!
Er packte das Handgelenk mit der anderen Hand und versuchte sie aufzuhalten. Er stöhnte vor Anstrengung und streckte seinen Oberkörper weit nach vorne, um Zeit zu gewinnen. Unaufhörlich wanderte der Dolch weiter nach unten.
»Nein, nein, bitte, nein ...«, flehte Thanan. Er sah den Ring an, seine Augen funkelten.
»Hör auf!«, sagte er bestimmt, »dann werde ich dir nichts tun.«
Seine Hand erlahmte, der Dolch fiel klappernd zu Boden.
»Ah ... der Menschling hat verstanden«, sagte eine höhnische Stimme. Sie klang unangenehm, kratzig, wie Stein, der über Stein reibt. Thanans Nackenhaare sträubten sich.
»Du warst das am Marktplatz. Du bist in meinem Kopf, darum hat niemand auf die Rufe reagiert«, stellte er fest.
»Ich bin nicht in deinem Kopf.«
Der Blick wanderte zum Ring.
»Erwischt«, kicherte die Stimme boshaft.
»Gib mich frei«, forderte er.
»Niemals.«
Er murmelte eine Schutzformel vor bösen Geistern, erntete aber nur Gelächter dafür.
»Damit kannst du nichts gegen mich ausrichten, deine Magie ist lächerlich primitiv.«
Kraftlos fiel Thanan auf die Tischbank.
»Wer bist du?«, fragte er müde.
»Raziah, die Königin der Elfen.«
Thanan prustete los, schüttelte sich vor Lachen, wieherte, bis er kaum noch Luft bekam.
»Schweig, Narr. Beuge dich meiner Macht.«
Der Assassine sank langsam auf die Knie. Mit aller Kraft kämpfte er dagegen an und stemmte sich mühsam wieder hoch.
»Deine Macht über mich ist offensichtlich begrenzt, Dämon«, keuchte er zufrieden.
Der Ring gab ihm keine Antwort.
Er brauchte dringend Hilfe, die Hilfe eines Meisters. Es war Zeit, einem alten Freund einen Besuch abzustatten:
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