Drachenkaiser
Florin. »Im Gegensatz zu dir.« Das Rot glitt an ihm vorbei, er spürte den Einschlag des Steins neben sich. »Kluge Entscheidung, Altvorderer. Sie sichert dir weitere Jahre der Existenz.« Florin drückte sich ab und zog Vouivre mit, der Oberfläche entgegen. Er schleuderte ihn wie einen nassen Lappen an Land und blieb am Rand des Kanals, um jederzeit abtauchen zu können.
Vouivre lag zunächst still und erbrach würgend einen Schwall brackiges Wasser nach dem anderen, bevor er sprechen konnte. »Genieße den Tag, an dem du mich besiegt hast«, grollte er und stemmte sich bebend auf die Beine, die zu schwach zu sein schienen, um ihn zu tragen. Schlaff hingen die Schwingen herab, die linke war in der Tat gebrochen! Aus der Höhle, in der einst der Karfunkel gesessen hatte, rannen Wasser und Blut; das Loch dampfte.
Florin hätte am liebsten laut gebrüllt, um seinen Triumph auszukosten, aber er verzichtete, um den Altvorderen nicht weiter zu demütigen. In einer Sache hatte dieser die Wahrheit gesprochen: Gegen Ddraig würde er allein nicht bestehen – aber die ersten Verhandlungen hatte er bereits geführt, um sich ihre Gunst zu sichern. Ihm kam entgegen, dass sie Vouivre inzwischen abgrundtief hasste. Die Niederlande und England waren so gut wie Freunde. Dein Tod kommt früh genug. »Das tue ich«, gab er zurück. »Sehr sogar.«
Der Flugdrache knurrte unentwegt, vermutlich um seine Schmerzen zu überspielen. »Unsere Abmachung gilt«, gab er gequält von sich. »Wann erhalte ich mein Auge zurück?«
»Wenn ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass unser Abkommen stabil genug ist, Altvorderer.« Florin schnaubte. »Du kannst gehen. Ich lasse den Karfunkel an den Ort deiner Wahl bringen.«
»Wie soll ich unbeschadet nach Hause gelangen? Wie soll ich meinen Weg finden?«, lamentierte Vouivre. »Du hast mich geblendet und mir eine Schwinge gebrochen! Selbst Bauern könnten mich mit ihren Mistgabeln erstechen, so wehrlos bin ich.«
Florin gab einen Laut von sich, der Mitleid heuchelte. »Dann wirst du dir etwas einfallen lassen müssen, Altvorderer. Sonst bekomme ich deine Ländereien doch noch.« Er sank in den Kanal und tauchte unter, um den Karfunkel zu bergen.
Der Stein leuchtete schwach und wies Florin den Weg zu ihm. Er nahm das noch warme Schmuckstück und schwamm zurück nach Amsterdam. Das Warten auf den rechten Augenblick für seine Rache hatte sich gelohnt.
Vouivre hörte, wie Florin ins Wasser sackte und verschwand. Erst jetzt erlaubte er seinem Hass, sich offen zu zeigen: Er öffnete das Maul und schickte eine gewaltige Lohe in die Nacht, dazu brüllte er. Die Menschen würden glauben, ein Komet wäre vom Himmel gestürzt und in die Weide eingeschlagen.
Florin wird sterben! Schneller, als er denkt! Vouivre lief los, witterte, züngelte und orientierte sich anhand der Gerüche.
Ihm blieben noch einige Stunden, bevor es hell würde und man ihn schon auf kilometerweite Entfernung sehen könnte. Ausgerechnet in Holland, in diesem flachen Land, musste er sich befinden! Nichts, wo er sich verbergen konnte.
Vouivre wusste zum ersten Mal in seinem langen Leben nicht, was er tun sollte. Ich bin dermaßen erniedrigt, hintergangen und überrumpelt worden – und das an einem einzigen Tag! Diese Schmach muss ausgemerzt werden! Was hatte er nicht schon alles für Schlachten geschlagen! Und wie oft war er als Sieger hervorgegangen, sowohl bei den Kriegen von seinen Residenzen aus als auch gegen andere, aufstrebende Drachen, die ihm im eigenen Land die Herrschaft hatten streitig machen wollen.
Ich war mir einfach zu sicher! Dabei habe ich doch gewusst, dass er mich zu betrügen versucht! Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg aus seiner Lage, aber es wollte ihm nichts einfallen. Florin hatte ihn den Menschen preisgegeben, was einem Todesurteil gleichkam.
Er roch, dass er sich einer Scheune oder einem ähnlichen Bauwerk näherte, in dem Schafe gehaust hatten. Den Geruch von Menschen nahm er nicht wahr, und so tastete er sich voran, bis er sich in den Unterstand geschoben und in den hintersten, geschützten Winkel verkrochen hatte. Jetzt fühlte er sich zumindest nicht mehr ganz jeglichen Blicken ausgesetzt.
Bleibt die Frage, wie ich von hier verschwinde. Vouivre versuchte die gebrochene Schwinge zu bewegen und schnaufte vor Qual. Er sah sich bereits von brüllenden Bauern mit schmutzigen Mistgabeln umzingelt, die ihn abstachen wie ein Schwein. Oder ihn fingen, in Ketten legten und bei lebendigem Leib
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