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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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trug einen schwarzen, dichten Dreitagebart und lange Koteletten, die halb langen schwarzen Haare waren von der salzigen Luft leicht gekräuselt. Die alten Sachen des Fischers waren ihm etwas zu weit, weshalb er verloren und unsicher erschien. An seiner Stirn prangte die lange Narbe mit dem schwarzen Garn darin, die von einer Platzwunde stammte. Tilda hatte ihn eigenhändig genäht. Nein, das hin ich nicht. So hin ich nicht.
    »Olof, das ist nicht nett«, erteilte Tilda ihrem Mann einen Tadel. »Ich hatte bloß erwähnt, dass wir wieder Brennholz benötigten, und da ist er raus und hat angefangen.« Sie zog die helle Fransenstola um ihre Schultern. »Wie war der Fang?«
    »Nicht gut. Wir haben nach einem Wal Ausschau gehalten, aber nichts ausmachen können. Also haben wir ein paar Robben erlegt und ein paar Fische aus dem Wasser gezogen.« Er schlürfte den heißen Kaffee und verzog das Gesicht. »Weib, seit wann steht der schon da? Der ist bitter wie Galle!«
    Sie reichte ihm Milch und Zucker. »Das ist schade.«
    »Bitterer Kaffee ist immer schade.«
    »Ich meinte, dass ihr nichts gefangen habt.«
    Grigorij verfolgte die Unterhaltung gespannt. Ich habe euch auf der Karte eingezeichnet, wo ihr etwas finden könnt. Ihr hättet auf mich hören sollen. Er trank von seinem Kaffee, genoss die Wärme des Alkohols und des Getränks. Der schwache Schnapsgeschmack weckte etwas Bekanntes, das er lange nicht mehr genutzt hatte. Wie von selbst setzte er die Hellsicht ein, auch wenn sie ihm nicht verhalf, seine eigene Herkunft zu ergründen. Dagegen schien sie sich zu sträuben.
    Tilda spielte mit dem Löffel, den sie vorhin benutzt hatte. »Ihr hättet also doch auf ihn hören sollen«, sagte sie zufrieden-vorwurfsvoll.
    »Es war Zufall, dass es so kam, wie er auf der Karte eingezeichnet hat«, brummte Olof.
    »Glaube ich nicht. Es ist etwas in seinen Augen, was mich glauben lässt, dass er mit dem, was er vorhersagt, richtigliegt. Hat er dir einen Wal auf die Seekarte gemalt, und habt ihr dort einen entwischen lassen oder nicht?«
    »Ja, Weib«, erwiderte Olof genervt, weil er wusste, dass sie recht hatte.
    Sie lächelte, berührte seine Hand. »Zu schade, dass wir ihn nicht verstehen.«
    Ja. Zu schade. Grigorij leerte den Kaffee in einem Zug und bekam sofort beides nachgeschenkt. Er hoffte, dass der Alkohol Türen in seiner Kopfmauer öffnen würde, durch die er nicht hindurchgelangte.
    Einen kleinen Erfolg hatte er bereits gehabt: Er hatte sich in einem sehr feudalen Haus gesehen, an einem geldbeladenen Tisch mit fünf anderen Männern, die Smokings trugen. Eine Pistole ging reihum, die Trommel wurde gedreht. Abwechselnd hielten sie sich die Waffe unters Kinn und drückten ab. Die Hellsicht hatte ihm jedes Mal gesagt, wo sich die Patrone befand. Er war dem Tod mehrmals entkommen, aber immer ruhig geblieben.
    Am Ende des grausamen Roulettespiels hatte der letzte der anderen Männer weinend aufgegeben und war hinausgerannt, während Grigorij sich das Geld genommen hatte. Mit dem Gewinn war er in ein anderes Haus gegangen, wo ihn leicht bekleidete Frauen empfangen hatten. Nacheinander hatte er es mit ihnen getrieben, vier Stück. In einer Nacht voller Leidenschaft, voller Opiumrausch.
    Grigorij nippte wieder am Kaffee. Liebe, nein, Liebe war es nicht gewesen. Die habe ich bei meiner Frau gefunden.
    »Bald schon. Ich habe Ole gefragt, und dessen Cousin spricht Russisch. Er kommt heute Nachmittag vorbei, und dann wird er diesen komischen Fisch ausfragen.« Olof trank von dem Gebräu, das Unmengen von Milch und eine Prise Zucker enthielt. »Danach kann er endlich von hier verschwinden.«
    »Eifersüchtig, Olof?«
    »Auf den? Ha! Schau dir den jungen Hänfling mal an. Du bist doppelt so alt wie er und magst echte Männer. Nicht solche halben Hemden wie ihn.« Der Fischer erhob sich und nahm sich von dem harten Dauergebäck aus der blauen Dose, das er in den Kaffee stippte, damit es aufweichte und essbar wurde. »Ein Wunder, dass er die kalte Ostsee und seine Verletzungen überhaupt überlebt hat.« Er kaute den Keks. »Er ist bestimmt von einem Dampfer gefallen, auf dem die Reichen durch die Ostsee schippern, und sich die Küste ansehen, Kaviar in sich hineinstopfen und Champagner saufen.«
    Das könnte passen, dachte Grigorij. Es wäre zumindest ein Ansatz. Doch er wurde den Eindruck nicht los, dass dieses ausschweifende Leben, das er gesehen hatte, auch nicht seins war. Nicht mehr. Warum sollte ich demnach an Bord gegangen

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