Drachenkaiser
Wie wird es dann erst um deine Schwertkunst bestellt sein? Ich zittere.« Dabei stand er vollkommen ruhig. »Ich glaube, ich wage es.« Er nahm ein Eisenschwert von einem der Chinesen. »Sei zärtlich zu mir, Großmeister Brieuc. Ihr Europäer seid uns doch so sehr überlegen. Falls nicht, wärst du ein Großmeister, und das kann ich nicht glauben.«
Silena lachte laut auf und erhielt von Brieuc einen bösen Blick, von Ahmat ein Zwinkern. Sie unterbrach das Spektakel nur deswegen nicht, weil sie davon ausging, dass Ahmat das Spiel vorzeitig und vor allem unblutig beenden würde. Zudem besaß sie keine echte Befehlsgewalt über Brieuc.
Ahmet ging rückwärts bis in die Mitte des Hofs. »Komm und lehre mich Demut.«
»Das werde ich, Kamel…«
»Großmeister Brieuc!«, rief Silena. »Denken Sie an Ihren Anstand!«
»Kamelzüchter, wollte ich sagen«, vollendete er den Satz mit einem gehässigen Grinsen. Er folgte Ahmat und hob den Zweihänder, schwang ihn. Die lange, schwere Klinge surrte dunkel. »Bereit?«
»Bereit.« Ahmat verbeugte sich.
Brieuc sprang vorwärts und stach senkrecht nach vorn. Ahmat bewegte sich kaum, doch die Spitze verfehlte ihn.
Silena verfolgte den Kampf mit gemischten Gefühlen. Sie werden daran denken, dass ich sie lebend und unverletzt brauche? Sie war unruhig, als sie die Männer beobachtete, die sich nichts schenkten.
Brieuc hatte nach einer Serie von Ausfällen seine Kraft zurückgenommen und wartete, was sein Gegner tat. »Was ist, Wüstenperle? Muss ich warten, bis du erwachst? Wie schreit man ein ‚ Kamel an, damit es schneller läuft?«
»Wie wäre es mit: Brieuc?« Ahmat hob sein Schwert. Er griff mit einem Kopfschlag an, der von oben genau auf die Schädeldecke zielte.
Überrascht von der Geschwindigkeit, schlug Brieuc das Schwert zur Seite und musste nochmals springen, weil er nicht schnell genug umgreifen und nur ausweichen konnte; den Tritt sah er gar nicht kommen. Die Sohle traf ihn gegen die Brust und schleuderte ihn rückwärts gegen die Waffenhalter.
»Ich bin erwacht«, sagte Ahmat und bewegte die Schulter, mit der er seine Waffe geführt hatte. »Du auch, Großmeister?«
Brieuc drückte sich mit einem Schnaufen ab, legte die Haare zurecht. »Danke«, knurrte er und griff wieder an.
Silena erkannte, dass der Großmeister nun all seine Zurückhaltung hatte fallen lassen. Er attackierte mit voller Geschwindigkeit und trieb Ahmat immer mehr zurück. Sie bekam erste Zweifel, dass dieses Duell ein harmloses Ende nehmen würde, und hielt sich bereit einzugreifen.
Die Wucht des Zweihänders, kombiniert mit der beeindruckenden Stärke des Drachenheiligen, brachte den Ägypter schneller in Bedrängnis, als sie geglaubt hatte, und schließlich gab er den Kampf zu ihrer Erleichterung auf. Er warf sein Schwert auf den Boden und hob die Arme. »Das genügt, Großmeister«, sagte er keuchend.
Brieuc zielte mit der Spitze auf seine Kehle, auf seinen Zügen lagen Verachtung und Zufriedenheit. »Ich zweifelte niemals daran, Araber.« Er senkte die Waffe und warf sie Zhiao zu, der ebenso gebannt zugeschaut hatte wie Silena. »Aber du bist gut genug, um uns begleiten zu dürfen. Wir können dich zumindest als Ablenkung brauchen, während wir das Oberschlitzauge erledigen.« Er wandte sich um. »Ping, bring mich zu meiner Unterkunft«, sagte er zu Zhiao, »und besorg mir einen Schneider.« Er warf Silena einen triumphierenden Blick zu und verließ ohne ein weiteres Wort den Hof.
Ahmat hob das Schwert auf, aber er sah nicht im Mindesten niedergeschlagen oder gedemütigt aus.
Silena ging mit schnell schlagendem Herzen zu ihm. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja. Kein gebrochener Stolz oder zerschmetterte Selbstachtung, wenn du das meinst«, antwortete er heiter.
Sie atmete auf. »Du hast ihn gewinnen lassen.«
»Nein, das habe ich nicht. Ich habe den Kampf abgebrochen, bevor einer von uns beiden ernsthaft verletzt wurde«, sagte er und zwinkerte ihr zu. »Wir brauchen unsere Kräfte gegen den Drachenkaiser und nicht, um zu beweisen, wer der bessere Kämpfer oder Mensch ist. Wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben, setze ich den unterbrochenen Kampf gegen Brieuc fort.
Es könnte sein, dass der Großmeister eine Überraschung erlebt. Aber heute war nicht der richtige Tag dafür.«
»Du bist ein weiser Mann, Ahmat.«
»Mag sein. Ich denke nur weiter als Brieuc.«
Silena räusperte sich. »Er wird jetzt natürlich der Meinung sein, dass er mindestens einhundertmal mehr taugt
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