Drachenkaiser
Männer. »Wir sollen euch helfen, damit ihr rechtzeitig fertig werdet.«
»Ihr kommt wie gerufen. Hat der alte Ringsmacher mitgedacht.« Der Mann deutete auf die Kisten. »Schnappt euch die und bringt sie zum Fahrstuhl.« Er sah auf die Uhr. »Die Lok mit den Neuen kommt in einer halben Stunde, bis dahin muss der Tunnel frei sein.«
»Alles klar.« Tümmelmann erklomm den Lastwagen und schob die erste Kiste nach vorne. Aus den Ritzen lief stinkendes Wasser, es roch intensiv nach Verwesung.
Leida überwand den leichten Ekel spielend. Sie war von der Drachenjagd ganz anderen Gestank gewohnt und neugierig, was mit‘ dem Fleisch geschehen sollte.
Sie ging los, unmittelbar in den Seitengang, der zu einem Schacht führte. Jemand hatte »Anna, Stollen 1,20 Meter. Stollen II, 27 Meter. Stollen III, 59 Meter« mit Kreide auf ein Schild geschrieben. Die Zahlen scheinen sich zu verändern. In den Aufzeichnungen hatte sie nur von einem Stollen gelesen, also war in den letzten zwei Jahren seit der angeblichen Stilllegung einiges geschehen. Sie haben sich eine mehrstöckige Bombenschmiede errichtet!
An den Wänden lehnten Säcke und stapelten sich Kästen, auf denen chemische Formeln und Warnungen geschrieben standen. Als Hersteller war IG Farben aus Frankfurt angegeben.
Von da beziehen sie ihr Rohmaterial. Leida gelangte an den Fahrstuhl, stellte die Kiste auf eine andere und blieb in dem Korb stehen, der zehn auf zehn Meter maß und kein Dach hatte. An manchen Stäben erkannte sie tiefe Rillen. »Ringsmacher hat gesagt, ich soll mit runterfahren«, erklärte sie dem verwunderten Mann an der Bedieneinheit frech und gab sich Mühe, ihren Akzent zu verbergen.
»Von mir aus«, sagte er und kümmerte sich nicht weiter darum.
Nach zehn Minuten war die Kabine voll bis auf den letzten Raummeter, und jetzt wurde Leida der Geruch doch etwas zu stark. Glücklicherweise begann die Fahrt abwärts; ihre Leute warteten oben und sahen ihr nach, wie sie nach unten verschwand.
Die Kabine sackte an Führschienen nach unten. Zu den Wänden, aus denen lange, nach unten gekrümmte Haken herausschauten, hatte sie etwa einen Meter Abstand.
Es wird schwierig, notfalls hinauszuklettern. Sie haben die Werkstatt gut gesichert. Als es über ihr klickte und gleich danach rumpelte, hob sie den Kopf und sah hinauf: Zwei Klappen hatten sich von unten hydraulisch vor den Ausgang gelegt, auch an ihnen bemerkte sie lange Eisenspitzen. Es gab keinerlei Möglichkeit für ihre Leute, ihr unbemerkt zu folgen. Je tiefer sie kamen, desto wärmer wurde es.
»Zum ersten Mal hier unten?«, fragte der Mann grinsend. »Ja.«
»Angst?«, erkundigte er sich und grinste noch breiter. »Dein Gesicht sieht aus, als hättest du versucht, mal einen Drachen zu küssen.«
»Das habe ich auch«, entgegnete Leida. Sie hatte sich entschieden, die Flucht nach vorn anzutreten. »Es war ein großes Exemplar, und es war ein überwältigendes Erlebnis. Mein ganzes Leben hat sich dadurch geändert!«
Jetzt schaute der Mann sie ehrfürchtig an. Natürlich verstand er es anders, als sie es meinte. »Du kannst dich glücklich schätzen.« Ruckend hielt die Kabine an, obwohl sie den Boden noch nicht erreicht hatten.
Es zischte hydraulisch, und Leida vermutete, dass unter dem Aufzug eine zweite Sperre wegklappte. »Verdammt gut gesichert«, sagte sie.
»Ja. Sicherheit geht vor. Gerade bei dem, was wir hier lagern«, gab er zurück. »Ein Fehler, und die Hölle bricht los.«
Die Kabine setzte ihre Fahrt fort, und tatsächlich schloss sich über ihnen eine Abdeckung. Sie hielt einen Meter über dem Boden an, davor standen Loren auf Schienen.
Ein abschüssiger Stollen ging hinab in die Dunkelheit. Rostige Eisenstreben stützten die Decke und auch die Seitenwände. Zwei Schienenstränge führten hinein und verliefen im Bogen an dem Fahrstuhl vorbei; auf dem linken standen die leeren Loren. Licht gab es nur am Schacht selbst. Aus einem Seitentunnel flackerte es unregelmäßig, und das Zischen erinnerte sie an eine Lötlampe. In der Bombenschmiede wurde gearbeitet.
»Gut. Fangen wir an. Willst du beladen oder abfertigen?«
»Beladen«, sagte sie sofort, weil sie keinen Schimmer hatte, was vorging. Sie hatte noch immer den Geruch des faulenden Fleischs in der Nase. Leida hatte im Kampf gegen Geschuppte schon in mancher Höhle gestanden, aber hier fand sie es beklemmend. Das Wissen, fünfzig Meter Gestein zwischen sich und dem Tageslicht zu haben, machte es nicht besser.
Sie
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