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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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legte sie sich so um, dass sie das Gewehr einhändig bedienen konnte. »Das sollte genügen, um Eindruck zu machen«, sagte sie entschlossen.
    Der Stollen war leer. Die Männer hatten den Rückzug angetreten.
    Der Gargoyle und die Frau rannten den verlassenen Gang entlang, der vom Dröhnen der unterschiedlichsten Drachenstimmen erfüllt war. Offenbar saßen die Geschuppten fest. Gut. Sie können ihrem Verderben nicht entkommen, dachte Leida.
    Leider musste sie auch über viele Tote steigen. Tote, die einmal ihre Freunde gewesen waren. O’Malley, zwei Schüsse in der Brust und einer im Bauch, war einer davon. Das Glück des Iren hatte der Unzahl an Kugeln nicht standgehalten.
    Im Vorbeirennen sah Leida eine Kiste Dynamit, die ihre Leute wohl noch hineingetragen hatten, bevor sie von Voss‘ Männern getötet worden waren. »Warte!« Sie öffnete den Deckel und zwirbelte die Lunten mehrerer Stangen grob zusammen, zündete sie. Das Feuerwerk wird für Finstergrund ausreichen, hoffe ich.
    Das Vorwärtshetzen ging weiter, ohne dass sie aufgehalten wurden. Sie erreichten den Stollenausgang und stiegen durch das verbogene Stahltor ins Freie.
    Leida spürte Cyranos Arme, die sich um ihren Oberkörper legten, hörte, dass sich seine Schwingen mit einem Flattern entfalteten, und sie verlor den Boden unter den Füßen. Die eisige Winterluft schoss ihr durch den Bauch, sie musste nach Luft ringen. Rasch stieg er mit ihr empor.
    Zeit zum Durchatmen blieb ihr nicht: Die nächste Überraschung wartete schon auf sie! Vor ihnen schwebten zwei gepanzerte Gefechts-Zeppeline mit dem schwarzen Kreuz der kaiserlichen Armee. Voss hatte nicht gelogen. Die Läufe der großkalibrigen Flakgeschütze der Gondeln schwenkten auf sie ein und nahmen sie ins Fadenkreuz.
    »Was tun wir?«, knurrte Cyrano angriffslustig.
    »Ruhig! Sie können uns mit den Geschossen in blutige Schnipsel verwandeln und über den Tannen verteilen.«
    Knatternd zogen vier Doppeldecker dicht an ihnen vorüber. Leida sah, dass der Pilot in der vordersten Maschine gestikulierte. »Wir sollen zu dem rechten Zeppelin«, sagte sie zu Cyrano. »Ich nehme an, sie wollen, dass wir uns ergeben.« Sie drehte den Kopf, um besser mit dem Gargoyle sprechen zu können – und entdeckte die Überreste der Ramachander.
    Sie lag in mehrere Teile zerbrochen brennend zwischen den Bäumen. Eine breite Schneise markierte den Weg ihres Absturzes, Fetzen der Hülle wehten an den Bäumen. Nein. Bitte, es können doch nicht alle tot sein! Allein die Vorstellung versetzte ihr einen Stich ins Herz, der schlimmer schmerzte als die Verletzung ihres Arms.
    Dumpf grollend und rumpelnd senkte sich ein Teil des Berges nach unten, aus vielen kleinen Schluchten und Löchern schoss grell pfeifend silberner Staub. Das Dynamit hatte gezündet und die Gänge des Drachenhorts einbrechen lassen.
    Zu Leídas Erleichterung sah sie keinen flüchtenden Drachen. Alles, was Voss vor ihr und dem Officium hatte retten wollen, war unter Tonnen von Gestein erschlagen und begraben worden –zusammen mit der Leiche des obersten Drachenanbeters.
    »Wir ergeben uns«, sagte sie zu Cyrano und fühlte eine körperliche und geistige Schwere. Sie hatte genug erreicht. Und genug angerichtet. Dass sie ihren heimlichen Geliebten durch eine mehr als glückliche Fügung wiedergefunden hatte, konnte sie über den Tod so vieler ihrer Leute nicht hinwegtrösten. Aber um seinen Beistand war sie froh.
     
2. Februar 1927, Bitche, Departement Moselle, Königreich Frankreich
    »Die leere Augenhöhle fällt nicht weiter auf.« Florin betrachtete Vouivre, der sich erst dann in dem sehr gemütlich und feudal eingerichteten Gewölbekeller bewegte, nachdem er ausgiebig gezüngelt hatte. Als Flugdrache war eigentlich das Auge sein bestes Sinnesorgan, aber der Karfunkel befand sich in Florins kobaltblauen Krallen. So musste er sich an den Gerüchen und Temperaturunterschieden orientieren, notfalls tastete er sogar mit den Zungenspitzen und Klauen. So gefällt mir das. Dein Hochmut hat dich besiegt, nicht ich. »Du schlägst dich tapfer, Altvorderer.«
    »Fast hat es etwas Gutes, dass du mir das Auge geraubt hast. So muss ich deinen Anblick wenigstens nicht ertragen«, gab Vouivre schlecht gelaunt zurück. »Bist du in meine Festung gekommen, um mich zu verspotten, oder haben wir etwas zu bereden, was mir entfallen war?«
    »Oh, es hat sich ja einiges seit unserem letzten Treffen geändert. Vor allem in Deutschland«, gab Florin zurück. Er

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