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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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mich hundertmal…«
    »Mutter, ich habe eine Vorahnung, dass sich Stalin nicht mehr länger mit Flugzetteln zufriedengeben wird!«
    Fjodorowna sah ihn ergründend an. »Hattest du eine Vision, Grigorij?«
    Wenn ich jetzt lüge… »Nein«, räumte er widerwillig ein. Keine echte. Er hasste das Gefühl der Ohnmacht. Sie weigerte sich, und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    »Dann muss ich an seiner Seite bleiben. Wenn ich jetzt zu Königin Viktoria reise, würde man es Nicki als Zeichen der Schwäche und Vorbereitung zur Flucht auslegen. Die Bolschewiki erfahren von mir sicherlich keine derartige Unterstützung.« Die Zaritsa gab Grigorij einen Kuss auf die Stirn. »Wünsche uns Glück, dass der chinesische Kaiser diese Woche noch den unterschriebenen Vertrag sendet. Es ist das wichtigste Dokument seit dem Ende des Weltkriegs: Es verhindert einen weiteren.«
    Grigorij konnte das Gefühl nicht richtig greifen, das in ihm tobte und immer lauter wurde, je länger er seine Mutter anschaute. Es ging weit über Sorge hinaus. Rasch zog er einen Handschuh aus und berührte sie am bloßen Hals. Nichts geschah. Ohne Drogen geht es nicht.
    »Du wolltest meine Zukunft ergründen.« Fjodorowna war überrascht. »Kind…« »Zu deiner Sicherheit.«
    »Zu meiner Sicherheit habe ich die Ulanen und die Ochrana«, gab sie zurück. »Wie ergeht es deiner wunderschönen Frau? Werde ich in aller Heimlichkeit bald Großmutter?«
    »Nein, sicherlich nicht. Und Anastasia geht es gut.«
    »Ich bewundere sie. Es hat sie bestimmt Überwindung gekostet, dich in das Land reisen zu lassen, in dem dir so viele Gefahren drohen.« Fjodorowna seufzte. »Ein viel zu kurzes Wiedersehen. Aber wer weiß, wann wir das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben?«
    Sag nichts dazu. Grigorij hüstelte. »Ich soll dich von ihr grüßen«, schwindelte er. »Sie freut sich darauf, dich kennenzulernen.«
    »Sie muss ein besonderer Mensch sein.« Fjodorowna erhob sich. »Ich muss leider gehen. Bliebe ich länger weg, würde Nicki mich suchen lassen. Die Ochrana ist schon nervös genug. Sollte sie uns zusammen sehen, würde man uns beide wegen Konspiration gegen den Zaren verhaften. Vermutlich ist deine Weigerung, dich mit ihm zu treffen, wirklich die bessere Entscheidung.«
    Er wusste nichts darauf zu antworten, deswegen kniff er den Mund zusammen, was man mit viel Mühe als Lächeln deuten durfte. Wieder umarmten sie sich.
    Sie streichelte seinen Kopf, die Hand verharrte wie zum Segen, dann ging sie hinaus. »Gott schütze dich, mein Sohn. Gott und deine eigene Kraft.«
    Er erhob sich, hörte ihre Schritte durchs Haus hallen, die Tür sich öffnen und wieder schließen. Die Stille kehrte zurück, die ihm das Herz schwer machte.
    Wir sehen uns viel zu selten. Er trat ans Fenster und beobachtete, wie sie durch den Garten ging und sich den Schnurrbart wieder andrückte.
    Erinnerungen aus Grigorijs Jugendzeit schössen bei ihrem Anblick aus den tiefsten Winkeln seines Gedächtnisses.
    Sie hatte ihn einer treu sorgenden Familie übergeben, war, so oft es ging, bei ihm gewesen und hatte mit ihm gespielt und gelacht, ihm vorgelesen. Eine ganz normale Frau. Erst als er vierzehn war, hatte sie ihm ihre wahre Identität offenbart. Bis dahin hatte er geglaubt, dass sie eine reiche Schwester seiner Ziehmutter sei, die der Zarin zufällig ähnelte.
    Mit Rasputins Tod hatte seine Odyssee quer durch Europas Internate begonnen. Die Flucht vor der Ochrana und dem Zarewitsch war mit dem Geld des Zaren finanziert worden.
    Ich habe viel erlebt, dachte Grigorij. Durchlebt, dank des Zaren. Das werde ich ihm nicht vergessen. Er sah seine Mutter in einen geschlossenen Schlitten steigen, der gleich darauf losfuhr. Von mir aus kann Stalin ihn erledigen. Aber ihr darf er nichts antun.
    Grigorij setzte den Zylinder auf die schwarzen Haare und verließ das Palais. Nein, er hatte überhaupt kein gutes Gefühl.
    Er schlenderte gedankenversunken die verschneiten Wege entlang, ohne auf die Passanten zu achten. Hier gab es keine Revolutionäre. Der Garten täuschte Frieden vor.
    Das änderte sich, als er die Anlage verließ und auf einen Prospekt gelangte. Lastwagen mit Arbeitern und Soldaten tuckerten auf der Straße entlang, die Männer schwenkten rote Flaggen und sangen Lieder, in denen sie die Absetzung des Zaren heraufbeschworen. Andere warfen Flugblätter hoch in die Luft, die vom Winterwind emporgewirbelt wurden und sich verteilten.
    »Bolschewiki«, sagte ein dick eingepackter Passant

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