Drachenkaiser
Schnitt!«
»Ungewollt. Und du musst neuerdings dienen?«, neckte er und zeigte auf die Uniform. »Gehen deinem Mann die Soldaten aus?«
Alexandra Fjodorowna, die Zaritsa von Russland, lächelte bitter. »Du weißt, warum ich mich maskiere.« Sie zog ihn zu einer verhüllten Chaiselongue; beide setzten sich, ohne die Finger des jeweils anderen loszulassen. »Er hat bereits davon erfahren, dass du in der Stadt bist. Und natürlich wittert er Verrat.« Sie sah unglücklich aus. »Er ist so schrecklich verblendet, dass er denkt, du würdest im Namen Rasputins die Macht an dich reißen wollen. Ich bitte dich: Komm mit mir und sage ihm selbst, dass du nicht und niemals nach dem Thron des Zaren streben wirst! Das ist ein Grund, weswegen ich dich zu mir bat: Ich will Frieden zwischen euch beiden. Du wärst nicht länger in Gefahr, und er hätte eine Sorge weniger.«
Grigorij wurde von ihrem Vorschlag überrumpelt und schüttelte aus einem ersten Impuls heraus den Kopf. »Er würde mir nicht glauben.«
Sie sah ihn bittend an. »Aber du könntest ihn davon überzeugen. Zusammen mit mir!«
Das ungute Gefühl, das ihn befallen hatte, schwand nicht, auch nicht durch ihre Worte – obwohl sie Grigorij eine große Entlastung versprachen, sollte der Zar wirklich Frieden mit ihm schließen.
»Nein, Mutter«, sagte er ruhig. »Ich glaube, mein Anblick und unser Anliegen würden ihn noch wütender machen, und seine Wut würde sich gegen dich richten, weil er meiner nicht habhaft werden kann. Das werde ich keinesfalls in Kauf nehmen.« Er drückte ihre Hände. »Rede mit ihm über das, was auf den Straßen geschieht. Romanow ist sich selbst sein größter Feind. Wenn er den einfachen Russen nicht gibt, was sie fordern, werden die Soldaten und Arbeiter wahrlich eine Revolution anzetteln. Lenins Tod hat die Unzufriedenheit im Land nicht ausgelöscht.«
»Das weiß ich doch«, rief sie verzweifelt. Er sah ihr an, dass sie den Plan zur Versöhnung nicht so schnell aufgegeben hatte. »Die Bolschewiki drucken einen Flugzettel nach dem anderen. Ihr neuer Führer heißt Dschughaschwili und hat sich den Kampfnamen Stalin gegeben. Es … macht mir Angst, was geschieht. Auch deswegen wollte ich dich sehen. Verzeih mir meinen Egoismus, aber deine Anwesenheit gibt mir neue Kraft. Es ist die gleiche Macht, wie sie von deinem Vater ausging.«
Er lächelte sie an und umarmte sie erneut. »Nimm dir so viel davon, wie du brauchst, Mutter.« Grigorij war sich nicht sicher, doch er glaubte, dass sie heimlich in seinen Armen weinte.
Es dauerte eine Weile, bevor sie ihn losließ. »Jetzt fühle ich mich gleich viel besser. In dir steckt wahrlich die gleiche Energie, die ich in deinem Vater spürte.« Fjodorowna atmete aus. »Gott weiß, dass ich sie brauche! Die Ochrana hat bereits drei Attentäter gefasst, bevor sie ihre Vorhaben in die Tat umsetzen konnten. Deine Geschwister, der Zar, wir alle sind in Gefahr.«
»Dann kommt mit mir«, sagte er, aufgewühlt von ihren Worten, die eine Bestätigung seines Empfindens waren.
Sie schluckte. »Nein. Bald wird sich die Lage ändern. Nikolaus bringt den Friedensvertrag mit dem chinesischen Kaiser zum Abschluss, und dann können wir uns endlich um die Unruhestifter und die Veränderungen kümmern.«
»Ich fürchte, dass du nicht mehr viel Zeit hast. Kannst du nicht mehr auf den Zaren einwirken?«
»Wenn ich es weiter forciere, wird er mich auch noch zu den Verrätern zählen, die er überall zu sehen glaubt.« Die Zaritsa seufzte. »Deine Nähe tut mir gut, Grigorij. Ich wünschte, wir könnten uns öfter sehen.«
Er drückte sie nochmals und ließ sie nur zögernd los. Am liebsten hätte er sie sofort zum Luftschiff gebracht. »Eines Tages vielleicht, Mutter.« Wenn der Zar tot ist und du Zaritsa bist.
Sie nickte. »Du würdest dich hervorragend mit deinen Halbgeschwistern verstehen.«
»Wissen sie von mir?«
»Natürlich kennen sie die Gerüchte über deinen Vater und mich, aber sie geben nichts drauf. Nur Alexej hat einmal gesagt, dass er dich sehr gerne kennenlernen würde. Alexej und du, ihr seid vom Alter her nicht weit auseinander. Ihr wärt wunderbare Brüder.« Sie streichelte ihm über die rechte Wange. »Du hast Rasputins Augen, mein Sohn. Und seine Gabe.«
Auch wenn er wusste, dass sie sein Angebot nicht annehmen würde, bat er erneut: »Komm mit mir nach England. Nur bis die Unruhen enden und Stalin mitsamt seinen Genossen festgesetzt ist.«
Sie lachte auf. »Kind! Auch wenn du
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