Drachenkampf - Zwergenkrieger
der rote Falke schwang sich empor in den blauen Himmel.
Am folgenden Tag rief Elyn ihren Rat zusammen und verkündete ihre Absicht, zum Schwarzen Berg aufzubrechen, um den Kammerling zu suchen. Nachdem der Aufruhr sich gelegt hatte, ernannte Elyn Mala zur Regentin und bestimmte, daß sie dieses Amt ausüben solle, bis sie selbst oder ihr Vater zurückgekehrt sei. Elyn verfügte zudem: Falls ihrer Tante oder Aranor oder ihr selbst irgend etwas zustoßen sollte, so sollten die Ratsherren einen geeigneten Regenten ernennen, bis Bram das Alter der Mündigkeit erreicht habe.
Die Übergabe der Amtsgewalt ging rasch vonstatten, und innerhalb einer Stunde wußte es jedermann in Jordburg, und Meldereiter wurden zu den Außenposten geschickt, um ihnen die Neuigkeit zu überbringen.
Am nächsten Morgen, vor Tagesanbruch, verließ Elyn heimlich die zerstörte Burg, und ihr schnelles Roß, Windsbraut, trug sie über die Steppe gen Osten.
Sie ritt den ganzen Tag hindurch und den nächsten und die beiden folgenden Tage. Und der späte Nachmittag des vierten Tages fand sie auf dem Anstieg zum Kaagor-Paß. Windsbrauts eisenbeschlagene Hufe klapperten auf dem Fels, daß die Echos in der langen Schlucht und zwischen den hohen Klüften widerhallten. Der Sonnenuntergang fand sie mitten auf der Paßhöhe, doch es war Sommer, und die Nächte in diesen Höhen waren um diese Jahreszeit erträglich, und so schlug sie dort ihr Lager auf.
Nachdem sie Windsbraut versorgt hatte, gelang es Elyn, eine tote Krüppelkiefer ausfindig zu machen, mit vom Bergwind verdrehten Ästen, und bald brannte ein kleines Kochfeuer. Sie machte Wasser für Tee heiß und warf ein wenig von den kostbaren Blättern hinein. Und als Elyn ihren Tee trank, dachte sie an den Drachen und an die Toten, die sie auf ihrem Weg hierher gesehen hatte, und ein Feuer loderte tief in ihren grünen Augen.
Als die schrägen Strahlen des Morgenlichts in die Paßschlucht herabdrangen, war Elyn bereits dabei, das Lager abzuschlagen. Von Osten wehte ein kalter Wind von den Berggipfeln herab, und die Kriegsmaid zog ihre Fellweste als Schutz gegen die eisigen Böen an. Als sie ihre Bettrolle an den Sattelzwiesel band, schnaubte Windsbraut und scheute. »Ruhig, Mädchen«, murmelte Elyn und blickte sich um, sah aber nichts, was die Stute hätte beunruhigen können.
Sie stieg auf und ritt ostwärts, gegen den kalten Wind, unter einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Wieder scheute Windsbraut, schnaubte und warf den Kopf hoch. »Was ist los, Mädchen?« Kaum hatte Elyn die Worte ausgesprochen, da sah sie in der Ferne einen Schatten, der sich westwärts über den bleiernen Himmel bewegte: Kalgalath der Schwarze! Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie lenkte die Stute in den Windschatten eines großen Felsens, um Schutz zu suchen. Dabei sah sie eine dunkle Öffnung in der Felswand und trieb Windsbraut darauf zu. Doch das Pferd weigerte sich, hineinzugehen. Elyn schwang sich aus dem Sattel und zog die widerspenstige Stute an den Zügeln in die tiefen Schatten der Höhle.
Drinnen drang ein fauliger Geruch in ihre Nase, doch er war schwach, als wäre er Jahre alt. Kein Wunder, daß Windsbraut nicht hier hinein wollte. Es stinkt hier wie — die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag — wie von einem Troll. Golgas Höhle! Schnell trat die Kriegsmaid zu dem Grauschimmel und zog ihr Breitschwert. Ihre Augen versuchten die nachtdunkle Schwärze in der Höhle zu durchdringen. Sie fühlte, wie sich die Härchen auf ihren Armen und im Nacken aufstellten. Ach, du dumme Gans! Es ist erst drei Jahre her, daß Golga von Elgor erschlagen wurde. Und gewiß hat kein Troll seitdem hier gehaust. Doch selbst nach all diesen Jahren ist der Gestank immer noch ekelhaft ... Wie konnte Elgor damals nur diese Höhle betreten? Er muß unerträglich gewesen sein. Ihres Bruders Gesicht stieg vor ihr auf, doch sie ließ sich durch den Kummer nicht in ihrer Wachsamkeit beeinträchtigen, sondern hielt die Augen in das Dunkel im Innern der Höhle gerichtet. Hammer und Amboß: ein Drache draußen und wer weiß was drinnen; wenn ich Glück habe, nichts. Etwa eine Stunde wartete sie, allzeit bereit zum Kampf, doch nichts kam aus dem Innern der Höhle auf sie und Windsbraut zu. Und Elyn ließ genug Zeit verstreichen, daß der Drache inzwischen gewiß über alle Berge war, denn wenn sie auch nicht wußte, welches Ziel der Drache verfolgte, so wußte sie doch, daß jetzt nicht die Zeit war, sich dem Ungeheuer entgegenzustellen.
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