Drachenkampf
nur für ein paar Stunden oder auch für mehrere Tage. Er wusste um die Besonderheit derer, die der Kardinal hier aufnahm. Offenbar wunderte er sich über nichts, verlangte nicht mehr zu wissen, als ihm unbedingt nötig erschien, und erfüllte seine Aufgaben mit Beflissenheit, ohne sich je etwas anmerken zu lassen. Leprat hatte den Wert des Butlers schnell erkannt und verließ sich gern auf ihn, wie ein guter Offizier, der sich auf einen erfahrenen Unteroffizier verlassen kann. Eine Entscheidung, die der frühere Musketier nicht hatte bereuen müssen und die sich als richtig erwies, als er zum ersten Mal der systematischen Durchsuchung der Gemächer der Italienerin beiwohnte: Danvert war ganz in seinem Element.
»Probleme?«, fragte Leprat, als der Butler zögerte.
Außer ihnen beiden befand sich niemand in Alessandras Vorzimmer.
Als Zeichen einer gewissen Ratlosigkeit nagte Danvert an seiner Unterlippe. Er antwortete nicht und schritt einem Impuls folgend zum Käfig, in dem Alessandras Dragune eingesperrt waren. Einer der Zwillinge – sicher das Männchen namens Regen – fauchte ihn an, als er überprüfte, ob das Vorhängeschloss an der kleinen Tür auch richtig arretiert war.
Daraufhin verließ der Butler das Zimmer und warf Leprat im Vorbeigehen einen entschuldigenden Blick dafür zu, dass er ihn hatte warten lassen. Leprat sah ihn beruhigend an.
»Es wäre leichter, wenn wir wüssten, was wir suchen, nicht wahr?«
»In der Tat, Monsieur. Man kann nie umsichtig genug sein.«
Leprat schloss die Tür, drehte den Schlüssel zweimal um, und die beiden Männer zogen sich zurück.
»Ich werde ein bisschen schlafen«, erklärte der frühere Musketier, ein Gähnen unterdrückend.
»Gut, Monsieur.«
Die Dragune warteten, bis sich die Stimmen und das Geräusch der Schritte entfernt hatten.
Als wieder Ruhe in das verlassene Zimmer eingekehrt war, fingen die Augen von Traufe an zu funkeln, und das Vorhängeschloss öffnete sich klirrend. Gleich darauf stieß Regen die kleine Tür mit seiner Krallenpfote auf. Die Zwil lingsdrachentiere verließen den Käfig und verschwanden im Kaminrohr. Sie kamen im Sonnenlicht heraus und verursachten dabei eine kleine Rußwolke, die unbemerkt blieb und deren Ursache auch unmöglich zu erahnen gewesen wäre. Denn, ohne völlig unsichtbar zu sein, waren die Dragune durchsichtig geworden, wie ganz reine Wassererscheinungen, die kaum das Licht trüben.
Nach ein wenig vergnügter und virtuoser Luftakrobatik rief Traufe ihren Bruder zur Ordnung, und sie flogen in Richtung Paris davon.
2
I m Palais Épervier wartete man nur noch auf La Fargue.
Die Klingen hatten sich im Schatten des Kastanienbaums um den alten, ausgeblichenen Tisch versammelt, dessen Beine von hohem Gras umwuchert waren. Agnès und Marciac spielten Dame, und Ballardieu verfolgte die Partie, während er an seiner kleinen erloschenen Pfeife nuckelte. Saint-Lucq saß lässig da, blickte ungerührt hinter seinen roten Brillengläsern hervor und jonglierte mit einem Dolch. Und Almadès stand abwartend mit verschränkten Armen an den Baumstamm gelehnt da.
Fehlte nur Leprat, und zwar aus gutem Grund: Sein Befehl lautete, das Jagdschloss Fuchsbau nicht zu verlassen, in das die Italienerin an diesem frühen Nachmittag schon bald unter strengem Geleitschutz zurückkehren würde. Auf dem Tisch standen Weingläser und eine Obstschale voll saftiger Früchte, die die Insekten anlockten. Sie summten im gleißenden Sonnenlicht herum, das glücklicherweise vom Laub des Kastanienbaums gedämpft wurde.
Schließlich kam auch La Fargue. Er setzte sich falsch herum auf einen Stuhl, und alle spitzten die Ohren.
»Also, es handelt sich um Folgendes«, fing er an. »Ihr wisst ja, dass die Italienerin, seit sie sich gestellt hat, im Châtelet tagtäglich insgeheim vom Zivilrichter des Vogts von Paris vernommen wird.«
»Monsieur de Laffemas«, warf Agnès ein.
»Laffemas, ja. Er gilt als unbestechlich und hartnäckig. Er ist zwar unbequem, aber nicht das Monster, für das ihn alle halten. Auf jeden Fall jedoch ist er intelligent und einer, den man nicht leicht hinters Licht führt. Kurzum, er scheint der ideale Mann zu sein, um der Italienerin die Würmer aus der Nase zu ziehen …«
»Aber?«, hakte Marciac nach.
»Aber die Italienerin ist eine harte Nuss. Ohne ihr Lächeln zu verlieren, wendet sie Listen an, lügt und weicht seinen Fragen geschickt aus. Und so sind schon Tage vergangen, ohne dass sie viel verraten hätte über
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