DrachenKind (German Edition)
antwortete nicht. Er schien die Frage verstanden zu haben, wusste aber nicht wie er das Gefühl welches sich gerade entwickelte, beschreiben sollte.
„Es gibt hier ein gemeinsames Ziel und wir sind bereit dafür viele Dinge zu tun die wir sonst nicht tun würden. Es ist nicht leicht.“
Sie standen immer noch da, keiner sagte etwas. Dann meinte Seraf:
„Es macht keinen Sinn, einfach zu warten. Wir sollten uns einen Weg suchen, durch den Spiegel zu kommen und die Welt des Herrschers zu betreten.“
„Der Spiegel ist unwichtig.“
„Was?“
„Er ist nicht von Bedeutung.“
„Wie? Was meinst du damit? Ist er nicht die Grenze, welche wir nicht überwinden können? Das Spiegelbild ist doch sein Reich, darum kennt er sich doch hier so genau aus, weil bei ihm alles gleich ist wie hier. Oder…“
„Er kennt sich hier aus weil er einen Spion hat, der von uns kommt.“
Seraf schwieg. Er zählte eins und eins zusammen, dachte leise:
„Der Spion war es. Der Verräter. Er hat die Gedanken über einen Spiegel als Grenze verbreitet.“
„Ja, so wird es sein. Bleibt nur noch eine Frage. Warum habe ich von diesem Spiegel geträumt? Noch lange, bevor ich wusste, was oder wer ich bin?“
„Eine der wichtigsten Lehren hier ist folgende: Sehe das, was nicht zu sehen ist, denn das Offensichtliche ist immer zu einfach. Der Satz stimmt natürlich nicht immer, er ist ja auch nur ein Beispiel, eine Anregung, die kleinen Dinge zu sehen. Deine Träume waren bestimmt Warnungen, oder? Was, wenn die Träume dir zeigen wollten, was nicht geschieht? Wenigstens teilweise? Besteht die Möglichkeit?“
Eric sah ihn eindringlich an. Die Möglichkeit bestand, aber es passte nicht. Er hatte immer gesehen, was geschehen würde oder geschah. Bis auf ein Mal. Der Anschlag auf die Jugendhütte. Er hatte es gesehen, es war geschehen, mit nur einer Abweichung. Niemand war in der Hütte gewesen, obwohl er es doch so gesehen hatte. Und sonst? Es passte nicht. Einen Moment lang standen seine Gedanken still. Bisher hatte er noch keinen Beweis dafür, dass irgendein Traum vollständig Wirklichkeit geworden war. Nicht einen. Er dachte an den Tag, an dem die sechs ihn getötet hatten. Sofort erinnerte er sich an die Schmerzen. Aber er lebte, die Natur hatte ihm geholfen. Wieder eine Abweichung. In jedem Traum ein Unterschied. In jedem Traum eine Abweichung. Er sandte Seraf eine Frage.
„Wie kann das sein?“
„Ich weiß es nicht. Aber du siehst die Zukunft. Und die Zeit ist nicht etwas so einfaches wie die Menschen aus deiner Welt es gern hätten. Vielleicht entstehen diese Fehler, weil die Zeit an den entscheidenden Punkten immer von jemandem beeinflusst wurde? Kann doch sein…“
Eric dachte nach. Wenn das stimmte, dann würde es auch eine Abweichung geben, wenn er dem Herrscher entgegentreten musste. Die Frage war welche. Er ging die Träume wieder und wieder durch. Er kam, er versteckte sich, er wurde angegriffen, die Tore öffneten sich und er würde entdeckt…
„Ich weiß nicht, wo da eine Abweichung am logischsten wäre,“ sagte Seraf nachdenklich, als Eric ihm seine Gedanken offenbarte, „es kann überall sein. Ich weiß zu wenig, um das bestimmen zu können. Aber es wird eine geben, es muss eine geben. Alles passt irgendwie zusammen, da kann es keine Ausnahme geben.“
„Und wenn das so ist…Deine Frage, wo wir angreifen sollen, ist eine gute.“
„Was ist denn die Grenze? Wenn es der Spiegel nicht ist, wo soll sich dann das Land des Herrschers befinden?“
„Ich weiß es nicht genau. Alles was ich weiß ist, dass es ein großes Land ist, und es schwebt in der Luft. Über den Wolken, über den Strudeln. Das kann überall sein. Auf jeden Fall ist es von der Aschewüste entfernt, es liegt vom Urwald aus gesehen in ihrer Richtung. Wäre es in der Nähe, müssten die ganzen Wächter und das andere Gesindel doch nicht von so weit weg gekommen sein, oder?“
„Schon richtig. Aber das hilft uns nicht wirklich.“
„Ich denke, ich werde fliegen und nachsehen. Ich kann sehr weit sehen. Vielleicht schaffe ich es mit dem Wind zu verschmelzen, dann sieht mich auch niemand. Was meinst du?“
Seraf sah ihn entschlossen an. Er schien den Gedanken gut zu finden.
„Darf ich mitkommen?“
„Wieso?“
„Naja…Dann bist du nicht ganz allein und ich wollte schon immer mal fliegen.“
Eric dachte nach. Wo sollte sich ein Tiger denn festhalten? Wo sollte der sitzen? Und wenn er mit dem Wind eins werden sollte, oder wie beim letzten Mal mit dem Feuer, wie
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