DrachenKind (German Edition)
zwei ganz normale Menschen die Straßen entlang geschlichen, sich durch den Hof und die Hintertür geschummelt und jetzt standen sie wie selbstverständlich vor der Tür zu Mias Büro. Jack hob schon die Hand zum Anklopfen aber Eric meinte:
„Sie ist nicht da, ich weiß es…“
“Woher wissen? Du können durch Tür sehen oder was?“
“Nein, nicht direkt. Aber ich kann es merken. Sie ist nicht da und es riecht auch nicht nach ihr. Das tut es immer, wenn sie da ist. Glaube ich…“
Jack stellte sich auf die Zehenspitzen und stöhnte. Er sah schon besser aus, allerdings schienen ihm die Ohren weh zu tun. Vielleicht von dem starken Wind während des Fliegens. Eric hatte sich kaum zurückverwandeln wollen. Er hätte am liebsten die Gestalt des Drachen behalten, wenigstens in der Nacht, er wollte unbedingt einmal alles von oben sehen. Er hatte versucht, Jack mit dem Argument zu überzeugen, dass er später immer noch etwas essen könne…Doch der wollte nur den Brief und ins Bett. Aber Eric hatte genau gesehen, dass er eigentlich gerne mitgekommen wäre. Vielleicht ein anderes Mal. Jetzt wollte er sich in ihr Zimmer begeben, sich umziehen und sich im Essraum was zu essen abholen. Eric hatte auch Hunger. Ihren Proviant hatten sie total vergessen, die Rucksäcke lagen im Wald und Geld für eine Portion Fritten an der nächsten Straßenecke hatte auch keiner. Also latschten sie zu ihrem Zimmer, schlossen die Tür auf. Es sah aus wie immer, aber es roch anders.
„Mia war hier. Ich kann es riechen. Und da liegt was auf deinem Bett.“
Jack knipste das Licht an.
“Auf dein auch…Und wieso du mit der platten Nase können so gut riechen? Ich nicht können…“
Eric runzelte die Stirn. Jack hatte doch selber eine platte Nase. So, wie es viele Chinesen hatten. Jack jedoch dachte nicht mehr an die Nase Erics, er sprang zum Bett, griff sich den Brief und riss ihn ohne viel Hemmung einfach auf.
„Willst du denn nicht mal wissen, wer der Absender ist?“
“Nein, ich wissen…Sein still, bitte…“
Eric ging zu seinem Bett, zog sich aus und ging zum Kleiderschrank. Der war zwar noch nie bis oben gefüllt gewesen, aber Eric fand glücklich genug saubere Kleidung. Dann sagte er:
„Willst du mit zum Duschen gehen? Du könntest es am aller besten gebrauchen…Und du solltest dir vielleicht auch gleich die Zahnbürste mitnehmen!“
Jack antwortete nicht. Er war so ins Lesen vertieft, dass er nur denken konnte. Ein abwesendes „gleich“ konnte Eric in seinen Gedanken lesen und er beschloss, auf ihn zu warten und den Brief erst zu lesen. Er watschelte zum Bett, nahm den Umschlag und suchte nach einem Absender. Aber er fand keinen. Er betrachtete den Brief so eingehend, dass er vor seinem geistigen Auge schon durchsichtig wurde. Dann, als er meinte nichts Ungewöhnliches am Papier entdecken zu können, riss er ihn auf und zog das Pergament heraus. Als Erstes wunderte er sich, dass er kein Papier in Händen hielt, doch das war schnell vergessen, als er nicht einen einzigen Buchstaben auf dem Blatt fand. Er sah zu Jack hinüber, der sich scheinbar immer noch mit Lesen beschäftigte. So viel konnte doch auf dem kleinen Blatt gar nicht stehen. Er ging zu ihm herüber und sah ihm über die Schulter. Er stand mit einem leeren Blatt da und trotzdem sah Eric in seinen Gedanken die Zeilen wie kleine Flüsse vorbeifließen.
„Wie kann ich meinen denn lesen?“
“Was?“
“Wie kann ich meinen Brief lesen? Er ist leer, genau wie deiner…“
Jack blickte auf.
“Du sein ein wenig langsam, ich muss sagen. Mia ihn verschlossen, mit ihren Gedanken. Du nicht gemerkt, dass Wächter auch Gedanken verschlossen? Aber du konntest lesen, also bei Mia genau so…Bin gleich fertig, dann ich kommen mit.“
Jack wandte sich wieder seinem Brief zu und Eric schimpfte innerlich über seine dumme Frage. Allmählich musste er doch schon auf den Gedanken kommen, dass sich die Telepathie einfach in die Welt die er bald kennen lernen würde, einfügte, und vielleicht der einzige Weg war, wirklich ohne Mitwisser Informationen auszutauschen. Er schnappte sich das Pergament, konzentrierte sich auf die Augen des Drachen und schon begannen sich vor seinen Augen die Buchstaben wie Wellen von der Spitze seines Daumes am Rand des Blattes auszubreiten. Er erkannte die saubere Schrift Mias, gerade und gleichmäßig. Sie stand ganz im krassen Gegensatz zu seiner eigenen, mit der man Briefe hätte verschlüsseln können. Er wartete, bis sich die Schrift vervollständigt
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