DrachenKind (German Edition)
Vielleicht waren einige davon Blicke in ferne Zukunft, andere waren wie Live-Übertragungen im Fernsehen. Der letzte musste sich kurz vor seinem Erwachen abgespielt haben. Und er kannte den Mörder, der ihn verursacht hatte. Manou schien sich verändert zu haben, seine Kräfte schienen nicht mehr mit denen vergleichbar, die er gehabt hatte als Eric ihn eingefangen und ausgehorcht hatte. Schuldgefühle. Eric fühlte sich schuldig ihn nicht beseitigt zu haben. Er war verantwortlich dafür, dass nun über hundert Menschen unter und in seinem Alter umgekommen waren. Er schloss wieder die Augen. Das nächste Mal, wenn er die Wahl hatte, würde er sich anders entscheiden. Bestimmt.
Unter ihnen rasten die Wellen auf dem Meer vorbei. Eric registrierte eine Veränderung. Vor dem Einschlafen hatte er noch die Ströme beobachtet, die er selbst aus der sehr großen Höhe hatte sehen können. Jetzt bewegten sich die Wellen alle in eine Richtung. In ihre Richtung. Er schätzte ihre Höhe. Fast sechs Kilometer. Er drehte die Flügel und sie sanken tiefer, so schnell, dass Jack und Mia beinahe schwerelos wurden. Als er langsam ihren Fall abbremste, wachten die beiden auf. Eric achtete nicht auf sie. Er suchte nach einem Strich, irgendetwas in der Ferne, das an Land erinnerte. Mia rief sich ihre Karte in Erinnerung. Der kleine Punkt schwebte fast über dem Kreuz. Sie dachte:
„Wunderbar, wir sind bald da! Noch drei Stunden vielleicht und wir sind am Ziel!“
Eric freute sich, doch es hielt nicht lange an. Der Traum ging ihm nicht aus dem Kopf. Er war Schuld…Mia konnte seine Gedanken nicht lesen, er hatte sie völlig verschlossen. Nicht einmal eine Horde Wächter hätte diesen Willen durchbrechen können. Wenn sie nicht mächtiger würden. Seit dem letzten Angriff den sie miterlebt hatte, waren erst wenige Wochen vergangen. Es konnte sich vieles verändert haben. Aber im Moment war es Eric, der ihr Sorgen machte; sie drang nicht zu ihm durch, er schloss ihre Gedanken aus. Was war mit ihm?
„Hey kleiner Drache, was ist mit dir? Wieso bist du so verschlossen?“
Ihre Rufe konnte Eric klar und deutlich verstehen, aber er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Sein grimmiger Blick jagte Mia einen Schrecken ein, als er seine Gedanken freigab. Sie sah sich alles an, den ganzen Traum. Dann meinte sie mit erdrückter Stimme:
„Es ist nicht deine Schuld…Du konntest das doch nicht wissen, oder? Und…“
Eric unterbrach sie.
“Ich wusste es, ich konnte spüren, wie er war. Ich konnte merken, dass er ein grausames Wesen ist! Und ich habe gesehen, was für widerliche Dinge er mit den Menschen in den Dörfern gemacht hat! Also ist es ja wohl meine Schuld, oder? Ich hätte ihn doch töten können…Wäre wohl besser gewesen?“
Mia wusste keine Antwort. Sie hatte einen Kloß im Hals und er tat ihr leid. Er hätte es verhindern können, da hatte er Recht. Aber er hatte es nicht getan, er hatte eine gute Seele, er konnte nicht morden. Noch nicht. Vielleicht war das eine der Sachen, die er noch nicht verstand. Aber sie würde ihm die Regeln noch erklären, die Regeln der Welt, in der sie in ein paar Stunden ankommen würden. Eric stieg wieder höher. Er beschleunigte so stark, dass Jack ihm eine Warnung zudachte, aber er hörte nicht darauf. Er wusste dass es besser war seine Wut raus zu lassen als sie zu verdrängen. Und genau das tat er jetzt. Mit heftigen Flügelschlägen trieb er sie höher und sie wurden so schnell dass der Wind Mia und Jack flach auf seinen Rücken presste. Die Lehnen der Sättel klappten nach hinten, Jack wurde schlecht. Eric ging wieder tiefer, damit sie nicht erstickten, dann legte er all seine Gedanken und Kraft in die Geschwindigkeit. Sie wurden immer schneller, Eric flog jetzt nur noch etwa hundert Meter über dem Wasser. Als sie in eine Nebelwand rasten zog Eric einen Schweif hinter sich her. Die winzigen Wassertröpfchen wirbelten um ihn herum, durchnässten Mia und Jack in wenigen Sekunden, brannten auf ihrer Haut und fühlten sich kälter an als alles was sie kannten. Eric schloss die Augen. Er sah ja trotzdem was, aber so konnte er sich besser konzentrieren. Er stellte sich vor, dass er Manou mit dem kurzen Horn auf seiner Nase von einem Berg schießen würde, nachdem er jetzt ordentlich Anlauf nahm. In Gedanken schützte er Mia und Jack fast instinktiv mit einer Hülle aus Licht, damit sie nicht zerdrückt wurden. Dann legte er noch einen Zahn zu. Der Unterdruck der jetzt hinter der schützenden
Weitere Kostenlose Bücher