Drachenklänge
zu, wie F'lon die Flasche aus dem
Schrank nahm, das Gesicht verzog, als er das Etikett las, und sich dann ein Glas einschenkte. Auch Robinton schenkte er nach.
»Du bist nicht der Einzige, der einen Verlust betrau-ert«, erklärte F'lon nach dem ersten Schluck.
»Ach?«
»L'tol – eigentlich müsste ich ihn Lytol nennen – hat Larth verloren. Ungefähr zur selben Zeit, als deine Kasia …« Selbst der dreiste F'lon konnte nicht weiter-sprechen. Er leerte sein Glas und füllte es bis zum Rand aus der Flasche nach.
»L'tol hat Larth verloren?« wiederholte Robinton.
»Ja, und es hätte nicht zu passieren brauchen.« F'lon setzte das Glas so fest auf dem Tisch ab, dass der Stiel brach. Er fluchte, weil ein Splitter seine Hand verletzte und steckte sich den blutenden Finger in den Mund.
»Wie kam es dazu?« fragte Robinton verwunderte.
Während eines fädenfreien Intervalls starb nur selten ein Drache.
»C'vrel beschloss, während der Frühlings-Wettkämpfe eine Übung abzuhalten, bei der Feuerstein 432
verwendet wird«, schilderte F'lon in sarkastischem Tonfall. »Die einzelnen Geschwader sollten gegeneinander antreten. S'lils Tuenth tauchte Flammen spei-end aus dem Dazwischen auf und fügte Larth an der Flanke schwere Verbrennungen zu. Es befanden sich genug Drachen in der Luft, um Larth zu stützen. Wir brachten ihn auf den Boden zurück, und dabei hat er die ganze Zeit vor Schmerzen geschrien.« F'lon schüttelte sich. »L'tol fiel von seinem Rücken, und die Weyrleute fingen ihn auf. Aber Larth war zu schwer verletzt. Während er auf dem Boden lag, ging er ins Dazwischen .«
F'lon liefen die Tränen über die Wangen. Sein
Schmerz ließ Robinton nicht kalt, und tröstend legte er eine Hand auf F'lons Arm.
F'lon wischte sich die Tränen ab. »Wie du siehst, gibt es noch mehr Leute, die trauern.«
»Das weiß ich. Aber ich komme über Kasias Tod
nicht hinweg.«
»Wenn das so ist, dann folge ihr nach.«
»Ich soll ihr nachfolgen? Wie meinst du das?« Ver-blüfft blickte Robinton den Drachenreiter an.
»Nichts einfacher als das. Wir gehen hinaus zu Simanith, der nimmt dich in seine Vordertatzen, dann tauchen wir ins Dazwischen ein und Simanith lässt dich los. Mein Drache und ich kehren nach Benden zurück.
Und du bist von deinem Kummer erlöst.«
»Ja, es wäre wirklich ganz einfach«, sinnierte Robinton und dachte an die kalte, schwarze Leere des Dazwischen , in der man nichts hörte, nichts fühlte, praktisch gar nicht mehr existierte.
Tränen traten ihm in die Augen, und sein Herz
schien bersten zu wollen. Gewiss, es wäre eine einfache Lösung … aber so einfach auch wieder nicht.
»Nein, es ist kein Patentrezept für Kummer«, sagte F'lon in seine Gedanken hinein. »Wir Menschen hän-433
gen am Leben, selbst wenn wir das Liebste, was wir haben, verlieren. Lytol brachte es nicht über sich, als wir ihm den Vorschlag machten. Anfangs war er von dem Taubkraut und dem Fellis-Saft, mit dem man
seine Verbrennungen behandelte, so betäubt, dass er keinen eigenständigen Entschluss fassen konnte, und als es ihm dann besser ging, kehrte er ins Hochland zu seiner Familie zurück.«
Robinton horchte auf. »Das Hochland ist zurzeit
kein besonders sicherer Aufenthaltsort, wie mir scheint.
Vor allen Dingen nicht für einen … ehemaligen Drachenreiter.«
F'lon zuckte die Achseln. »Er wollte es so. Und
im Augenblick braucht er seine Familie. Als ich kam, sah ich, dass deine Mutter sich immer noch hier
aufhält.«
»Ja. Sie hat mir sehr geholfen. Alle haben sich um mich bemüht.«
»Dann halte dir vor Augen, dass das Leben weitergeht.« Und die aufrichtige Freundlichkeit, die in diesen Worten mitklang, durchdrang den Panzer aus Eis, in den Robinton seine Seele gehüllt hatte.
»Danke, F'lon«, sagte er und stand auf. »Ich möchte jetzt etwas essen, und du siehst aus, als könntest du auch eine kräftige Mahlzeit vertragen.«
Tatsächlich machte F'lon einen verhärmten, mitge-nommenen Eindruck, doch bei Robintons Vorschlag
stahl sich ein Lächeln auf seine Züge. Er legte seinem Freund einen Arm um die Schultern, drehte ihn in Richtung Tür und bugsierte ihn dann hinunter in die Küche.
*
Kurz darauf besserte sich das Wetter, die Kranken erholten sich allmählich, und das Leben in der Burg nahm wieder seinen gewohnten Verlauf.
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Für Robinton war es schwer, in Tillek zu wohnen, denn alles erinnerte ihn an Kasia. Manchmal glaubte er, ihre schlanke Gestalt durch die Gänge huschen zu
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