Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Fuß für einen Augenblick stocken läßt.
Dann muß Marigg über herabgestürztes Geröll hinwegsteigen. Der Berg ist nicht gerade hoch und verliert sich in einzelnen, immer kleiner werdenden Brocken. Für Marigg aber ist es wie der Abstieg in eine fremde Welt. Die Aura des fremden Wesens schwingt in mühsam unterdrückter Erregung. Und nun staunt er ein weiteres Mal, denn jetzt nimmt er doch einen dominanten Willen wahr, eine Stimme, die beinahe beschwörend diese Aura durchdringt und sein Kommen in seltsamen Bildern verkündet. Mariggs Verstand vermag diese Botschaften nicht genau zu erfassen, aber die Empfindungen berühren ihn. Es ist wie die Ahnung von der Verschmelzung zweier Dinge, die geschaffen wurden, um irgendwann eins zu werden, es ist wie ein Jubel, wie eine Erleuchtung, wie Erfüllung, was diese fremden Hirne durchtost. Aber die Bilder! Die Bilder sind so fremd, so unheimlich – es sind die Bilder, die er seit langem kennt und die in ihm Furcht und Abscheu auslösten.
Doch dieser Wille scheint alles in ein freundliches Leuchten zu tauchen, gibt der Fremdartigkeit ein mildes, vertrautes Aussehen, läßt Wärme aus diesen Bildern strömen, Wärme… Und es ist nicht nur dieser eine Wille! Auch die anderen Gedanken sind voller Wärme, hier schwächer, da stärker, und Marigg spürt, daß es nicht Wollen ist, was diesen Unterschied zur großen, beherrschenden Stimme ausmacht, sondern nichts weiter als Vermögen, und daß jeder gibt, was er zu geben vermag. Kraftvoll klingt das Wort der Meister in Marigg und die Frage, was für eine geheimnisvolle Welt das wohl sei, aus der diese Wesen kommen…
Vor dem roten Schott der Luftschleuse bleibt er stehen. Muß er ja. Da ist ein numeriertes Tastenfeld, ähnlich denen, wie sie an den Schleusentüren auf der Basis angebracht sind, allerdings nicht mit achteckigen, sondern mit runden Tasten. Eins ist immer Öffnen! Mehr muß man nicht wissen, weil alles andere automatisch abläuft und die restlichen Tasten nur für Wartungstechniker oder im Fall eines Defekts von Bedeutung sind. Ein weißlicher Nebel faucht Marigg entgegen, als sich das Schott öffnet. Die Kammer ist nicht sehr groß, sechs Mann würden sich wohl schon auf die Zehen treten. Dafür geht alles sehr schnell. Es, ist eben eine Sicherheitsschleuse, die normalerweise optoelektronisch gesteuert wird und ihren eigentlichen Sinn erst erfüllt, wenn ein Leck oder eine andere Havarie hermetische Abdichtung erfordert. Kaum hat sich das rote Schott geschlossen, zischen wieder milchige Nebel aus irgendeiner Ecke, die sich aber rasch verflüchtigen. Dann schnellt das Innenschott zurück und gibt den Weg in einen diffus erleuchteten Korridor frei.
Ein Blick auf das Barometer sagt Marigg, daß hier irdische Druckverhältnisse herrschen, ein zweiter auf den Analysator, daß es tatsächlich Luft ist, was diesen Gang füllt. Die Temperaturanzeige meldet minus achtzehn Komma drei Grad.
Marigg öffnet die Rückenluke des Cataphracts und steigt aus dem Panzer. Einen Augenblick denkt er auch daran, den Helm abzunehmen, aber achtzehn Grad minus können einem auch die frischeste Luft verekeln, und außerdem ist nicht erwiesen, daß fünfunddreißig Jahre alte Luft besser riecht als die aus dem Servicetornister. Also läßt er den Griff des Bajonettverschlusses wieder los und sieht sich erst einmal um.
Das Sintermaterial der Tunnelwand zeigt keine Spuren der enormen Hitze, die bis hierher vorgedrungen sein muß, aber die Abdeckungen der Leuchtbänder haben sich verzogen und sind teilweise herabgefallen. Weiter zeugt nichts von der Höllenglut, die alles Leben erbarmungslos auslöschte.
Jetzt ist der Boden sogar mit einem feinen Schleier aus Rauhreif bedeckt, so kalt ist es in dem Gang.
Plötzlich stutzt Marigg. Weshalb ist es hier so unglaublich kalt? fragt er sich verblüfft. Normalerweise müßten die Temperaturen bis an den Siedepunkt heranreichen, wenn man voraussetzt, daß die Klimaanlage ebenfalls zerstört wurde. Aber wenn es hier noch Energie gibt, warum sollte dann nicht auch die Klimatisierung noch funktionieren?
Er hastet zum nächsten Luftaustritt und hält die Hand vor die vergitterte Öffnung. Ich Esel! schilt er sich, als ihm bewußt wird, daß er durch den Skaphanderhandschuh nichts merken kann. Also kratzt er einige winzige Kristalle des Rauhreifs vom Boden und legt sie sich in die Handfläche. Dann führt er die Hand behutsam wieder vor das Gitter des Lüftungsschachts. Sie müßten schmelzen oder
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