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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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unwiderstehlicher Sog in die Nähe der Glumpe.
    Quadrangel hat den Schock viel langsamer überwunden als er. Er war kaum noch wiederzuerkennen. Dieser eiskalte Egoist stammelte und stotterte, dem rannen sogar Tränen über das Gesicht, als er sich von seinem Computer, den er stundenlang mit Daten gefüttert hatte, erhob und mit Grabesstimme mitteilte, warum diese extremen Mutationen überhaupt möglich waren.
    Goff hatte darauf eine totale Informationssperre verhängt, dabei seinen MOBS-Ausweis geschwenkt. Skamander ist auch aufgefallen, daß Hendrikje bleich wurde und Goff entsetzt anstarrte, der mit allen möglichen Konsequenzen drohte.
    “Macht euch langsam fertig”, Skamander hört Styx in den Kopfhörern, “der Tunnel ist in etwa vierzig Minuten fertig.”
    Hoffentlich klappt das mit der Temperatur, denkt er. Es ist einfach paradox, daß Klugwarm und die anderen – für die es doch nichts Lebensnotwendigeres als Wärme gibt – bei normaler Zimmertemperatur jämmerlich krepieren würden. Ihr Metabolismus ist diesen knapp hundert Grad minus angepaßt. Die Glumpe kann als Gemeinschaft nicht existieren, wenn die von außen empfangene Wärme zu hoch ist, sie müßte sich auflösen, und diese Auflösung wäre ihr Tod, weil sie nicht einfach eine Gruppe von Einzelwesen, sondern eine höhere Organisationsform von Leben schlechthin ist…
    Der Grund für die große Kälte in dem noch intakten Kliniktrakt ist banal: Die Trennwand zwischen der Kryokaverne, wo die tiefgekühlten Lebensmittelvorräte aufbewahrt wurden, und der Stationsklinik ist während des Bebens aufgerissen worden, und die Kühlaggregate erwiesen sich als bedeutend stärker im Vergleich zur Klimaanlage der Klinik. So kam es, daß unter der hitzeglühenden Merkuroberfläche eine frostklirrende Inselwelt entstand… Das hat Skamander herausgefunden, als er der vereisten Schleimspur der Glumpe folgte, die ihn unentwegt rief. Die Glumpe hatte sich tief in die riesige Lagerhalle zurückgezogen, irgendeinem unverständlichen Reflex gehorchend…
    Skamander hat noch viele andere Dinge klären können. Auch ihn hat der vermeintliche Kannibalismus in der Glumpe entsetzt, aber er bezwang sich und erfuhr von Klugwarm, was ein Warmkalt ist, das zum Kaltkalt wird. Wie einfach und logisch das doch alles ist: Die Glumpe weiß, daß neue Mitglieder der Gemeinschaft aus den Schleimigen Mündern – den vor Nährlösung überquellenden Regeneratoren – kommen. Aber nicht jedes Warmkalt hat die Kraft, unter der Wärme der Glumpe zum Leben zu erwachen – Quadrangel hat geschätzt, daß auf tausend Mutanten höchstens ein lebensfähiges Individuum kommt –, und so wird aus Warmkalt eben Kaltkalt. Kaltkalt ist das Wort für die tiefgefrosteten Lebensmittel, von denen sich die Glumpe ernährt, indem sie sie in ihrer Mitte auftauen, und die Glumpe kennt keinen Unterschied zwischen diesem Kaltkalt und jenem, das in den Schleimigen Mündern wächst… Wer wollte da von Kannibalismus sprechen!
    Goff war damit nicht zu beruhigen. Er stellte die prinzipielle Frage, ob man diese Lebensweise überhaupt menschlich nennen könne und ob man überhaupt das Recht habe – von Pflicht sprach er gar nicht –, die Glumpe zu retten.
    Völlig überraschend für Skamander sprang Quadrangel auf und schrie Goff an: “Was heißt hier Recht, was heißt hier menschlich! Das ist Leben – darum geht es!”
    “Sinnloses Leben, dem Tod näher als allem Lebendigen, das ich kenne”, sagte Goff ärgerlich. “Das hat eine Maschine erzeugt, eine seelenlose, tote Maschine! Nicht die Evolution!”
    “Unfug!” erwiderte Quadrangel. “Das war keine seelenlose Maschine, das waren spezifische Verhältnisse, ein Algorithmus von Wirkungen, der – was völlig nebensächlich ist – durch eine Maschine realisiert wurde. Wir haben einen eindrucksvollen Beweis für die Evolutionstheorie vor uns, und was Sie in Erwägung ziehen – dieses menschliche Leben umkommen zu lassen – ist inhuman!”
    Skamander war erstaunt, und er sah, daß auch Goffs Gesicht den Ausdruck höchster Verblüffung zeigte. So hatte Skamander den Bordarzt noch nie erlebt, und er wunderte sich vor allem über die Vehemenz, mit der Quadrangel auf Goff losging.
    “Das geht zu weit, Doktor!” keuchte Goff wütend, doch bevor er weitersprechen konnte, sagte Quadrangel kalt: “Wenn Sie der Glumpe unsere Hilfe verweigern wollen, dann müssen Sie so konsequent sein und die Einstellung aller Forschungen zur Bekämpfung des Mungoismus

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