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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Zweifellos gehört er zu den Menschen, die sich einer gedämpften Askese zugunsten irgendwelcher nebulösen Ideale verschrieben haben. Doch es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht in der Lage wäre, ihn auf den Geschmack an den von ihm so verachteten Kleinigkeiten zu bringen.
    Eine halbe Stunde später – in der Kristo – erlebt sie einen Goff, der sich den Stoßwellenrhythmen mit solcher Verzückung hingibt, der mit seinen Verrenkungen und Sprüngen der Kristallothek derart bizarre wilde Klänge entlockt, daß die anderen Tanzpaare verblüfft stehenbleiben und anerkennend in die Hände klatschen. Hendrikje hielt sich immer für eine gute Tänzerin und genoß die heimliche Bewunderung der Männer ebenso wie den offen gezeigten Neid der Frauen. Aber jetzt glaubt sie ihre Kniegelenke hölzern knarren zu hören, wird von Sekunde zu Sekunde verkrampfter, spürt die ersten Schweißtröpfchen auf der. Stirn und das pulsierende Blut in den Ohrmuscheln.
    Goff tanzt so verrückt, daß sie nicht zu entscheiden wagt, ob es die Inkarnation aller Sinnlichkeit oder lächerliche Karikatur ist, was er dort aufführt. Die von ihm ausgelösten Stoßwellen peitschen ihren Körper, durchzucken sie wie perverse Wahnvorstellungen, abstoßend brutal und doch irgendwie erregend. Sein linkes Auge ist seltsam verdreht, schielt unter dem halbgeschlossenen Lid, und die Grimasse, die er schneidet, hat irgend etwas von einem der Idiotie Verfallenen. Allmählich schwindet ihre Angst, sich dem Gespött der anderen Kristogäste auszusetzen, nämlich in dem Maße, wie Goffs Leidenschaft sie unter seinen Willen zwingt. Noch nie hat sie so getanzt! Hendrikje ahnt das erstemal, daß Tanz mehr sein kann als gelenkig vorgetragene Musikalität, denn Goff tanzt nicht – er erzählt, nein, er brüllt, tobt, gibt sich preis. Zwar versteht sie nicht den Sinn der Botschaft, aber sie begreift, daß diese Wut, mit der sie herausgeschrien wird, etwas sein muß, was Hermel Goff, den Mops, ganz und gar ausfüllt, was ihn aufbläht, ihn zu zerreißen droht. Und sie erkennt auch schlagartig, daß sie daran nicht teilhat, damit überhaupt nichts zu tun hat, und daß es ihm egal wäre, ob sie die Tanzfläche verläßt.
    Als die Musik in einem schaurigen Klagelaut ausklingt und Goff in einer entrückten prophetischen Pose erstarrt, wird ihr Kopf wieder klar, und sie kann das Kichern nicht unterdrücken, das Goffs ekstatisches Schielen auslöst.
    Sie kichert auch noch, als sie längst in seinem Wohnkontingent sind und seine Hände mit verhaltener Gier den Schmetterlingstraum von ihrem Leib fetzen. Dann allerdings kichert sie lange Zeit nicht mehr, denn diesmal läßt Goff sie an seinem Tanz teilhaben, und die kleinen erstickten Schreie scheinen aus ihren Fingernägeln zu kommen, die ein Ornament der Wollust in Goffs Rücken kratzen. Und daß Goff nun auf beiden Augen schielt, läßt sie ebenso erbeben wie die gewaltigen drängenden Stöße, mit denen er sich in sie hineinzwängt. Einmal nur kehrt ein Fünkchen Verstand in Hendrikje zurück, flackert kurz auf: Als zwischen ihren schweißnassen Leibern die Luft mit einem desavouierenden Geräusch entweicht, schüttelt sie ein schnelles und rauhes Lachen, das gleich wieder im gemeinsamen Schnaufen und Röcheln ertrinkt. Mit Er-gar wäre ihr nun aller Spaß an der gemeinsamen Lust vergangen, aber diesmal ist es gerade umgekehrt. Sie bleckt wie eine tollwütige Wölfin die Zähne, als der Rhythmus in ein wildes Peitschen übergeht, und spürt kaum noch, wie sich ihre Finger in Goffs Haar verkrallen.
    Ihr erster Zusammenprall war kurz und mächtig. Stöhnend liegt Goff neben ihr, seine Hand streicht matt über ihren Bauch und bleibt schließlich wie tot liegen. In Hendrikje erwacht eine uralte Angst, und sie wartet fiebrig darauf, daß der sengenden Hitze nun die alles durchdringende tiefe Wärme folgen möge. Aber Goff hat sie vorübergehend aus seinem Denken und Fühlen entlassen.
    Bitter denkt sie: Er hat so recht, es gibt wirklich zwei Arten von Mensch – Mann und Frau. Wie glühende Kohle glimmt in ihr noch eine winzige Hoffnung: Wenn er doch so etwas sagen würde wie Ireas damals, daß es ihn so auseinandertreibe, daß er mit den Fingern die Sonne berühren könne, stellte er sich auf die Zehenspitzen…, wenn er doch wenigstens etwas sagen würde… Aber Goff sagt nichts, sondern fällt erneut über sie her. Nichts mit Fingern und Sonne. Wo vorher sengendes Feuer zwischen ihren Schenkeln war, fühlt

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