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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Planeten im System Capella angeboten – sie aber berufen sich auf die Verfassung, freie Wahl des Wohnsitzes und so weiter. Sie seien keine Elloraner, die man irgendwohin abschieben könne. Dabei wurde nie jemand abgeschoben, die elloranische Kultur hat sich selbständig entwickelt, na ja, was soll's… Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes: die Akzeleration des Mungoismus. Damit ist nicht seine Ausbreitungsgeschwindigkeit gemeint – die ist prognostizierbar und sogar rückläufig. Es sei denn, die nächsten Oszillationen der Sohne bescheren uns einen neuen Schub. Gemeint ist der progressive Verlauf der Erkrankung. Die Geschwindigkeit der Vitalfunktionen steigt bei den Erkrankten unaufhaltsam. Es ist jetzt schon so, daß Mungos in der Frühphase von denen in der Spätphase nicht mehr verstanden werden. Über die ökonomischen Probleme brauchen wir gar nicht zu reden, die aus einer völligen Integration erwachsen würden. Es ist nämlich so: Die Mungos leben objektiv wesentlich kürzer als die gesunden Menschen. Das betrifft jedoch nicht ihre subjektiv empfundene Lebensspanne. Je schneller sie werden, desto stärker steigt der natürliche Verschleiß, und zwar exponentiell, nicht etwa linear. Es ist wie bei einer Maschine, die für eine gewisse Arbeitsgeschwindigkeit konzipiert wurde: Steigert man das Tempo, wird irgendwann die Grenze der Materialbelastbarkeit erreicht. Dann ist Feierabend. Der menschliche Organismus ist auch wie eine Maschine. Wir haben festgestellt, daß Mungos eine halb so hohe Lebenserwartung – subjektiv! – wie Gesunde haben. Das ist das Problem!”
    “Wissen das die Mungos nicht?” fragt. Hendrikje bestürzt. Goff seufzt und verzieht das Gesicht. “Sie wissen es. Aber sie ignorieren das einfach. Die Vorteile ihrer Lebensweise gleichen den Nachteil aus, behaupten sie, zumindest die Organisierten… Was denken Sie, Hendrikje, was man da machen soll? Ist es nicht unsere Pflicht, ihnen zu helfen?”
    “Kann man das denn?” Hendrikje ist überrascht. Goff schüttelt unwillig den Kopf. “So, wie Sie denken, mit einer Injektion oder Bestrahlung, geht es noch nicht. Aber wir sind dicht dran. Das meinte ich nicht. Wir müssen ihnen helfen, indem wir in geduldigen Gesprächen ihre Bereitschaft gewinnen, mit uns zusammenzuarbeiten, statt daß sie von vornherein alles ablehnen, was wir vorschlagen. Aber das ist so schwer – auf unerklärliche Weise schärft diese Krankheit den Geist. Sie sind keineswegs dumm, diese Mungos, jedenfalls nicht in der zweiten bis fünften Phase, dann aber drehen sie alle durch, ausnahmslos… Wenn es wenigstens gelänge, die Akzeleration zu stoppen. Womöglich ist es wirklich ein ganz anderes, schöneres Leben, doppelt oder dreimal so schnell wie unseres. Aber die Schwierigkeiten beginnen ja schon beim Tag-Nacht-Rhythmus, schon deswegen gibt es für Mungos keinen Platz auf der Erde. Sie brauchen eigene Arbeitsplätze, ein eigenes Schichtsystem… Beim Großen Sirius! Das alles würden wir versuchen. Aber die Akzeleration!”
    Plötzlich begreift Hendrikje einiges von dem, was Goff vorher erzählt hat, und auf einmal fallen ihr auch Ergars Worte wieder ein: Wir werden selbst zu Mungos. “Also haben uns die Mungos gezeigt, daß wir auf dem falschen Weg sind?” fragt sie betroffen. “Jetzt begreife ich. Ein scheinbar unbedeutendes Ereignis, die Erhöhung der Lebensgeschwindigkeit, stellt unsere ganze Kultur in Frage!”
    “Ja und nein.” Goff lächelt erfreut. “Sie haben es uns nicht gezeigt, sondern uns letzte Gewißheit verschafft. Die ganze menschliche Kultur stellt niemand in Frage. Was war, mußte so sein, jedenfalls im großen und ganzen. Aber so darf es nicht weitergehen, und eigentlich müssen wir den Mungos – die das am wenigsten begreifen – noch dankbar für diesen Beweis sein. Ja, ich denke schon: Das Wesentliche haben Sie begriffen.”
    Goff scheint sich wirklich darüber zu freuen. Er strahlt über das ganze dunkelgetönte Gesicht, und jetzt erst bemerkt sie, daß auch er das Geheimnis dieses silbrigen Glitzerns in den Augen kennen muß – wie kleine Sterne sprüht und funkelt es in seinem Blick. Vielleicht wird er sich nicht so haben wie ihre Freundin Navina und das Geheimnis preisgeben…
    Hendrikje ist mit ihren Gedanken wieder ganz in der Gegenwart, im Alltag, in dieser besonderen Stunde. “Wissen Sie was, Hermel?” fragt sie kokett und springt auf.
    “Ich weiß einiges, aber ob ich wohl auch das weiß?” entgegnet er gelassen und

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