Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Städte, die von oben wie weißliche Blasen aussehen, die aus dem Grau des Wüstenbodens quellen, dann die barbarische, rohe Architektur der Terraner, die alles zu überdimensionalen klotzigen Monstren aufblähen, die unverständliche Hast und die bedrückende Monotonie der Bewegungen dieser Gesellschaft, die arrogante Maßlosigkeit in allem, was Terraner denken und tun – das erstemal empfand Marigg das Heimweh als körperlichen Schmerz angesichts dieser terranischen Kultur, als Schmerz, der heiß und mächtig seine Brust füllte und ihn für Augenblicke in tiefer Hoffnungslosigkeit versinken ließ.
Nicht einmal die wuchernden Kapriolen des Plusterfarns und die geometrische Strenge des Gitterkaktus konnten ihn trösten, im Gegenteil: Sie verstärkten den Abscheu vor dieser Welt, in der alles eine Funktion haben muß, um seine Existenz zu rechtfertigen, in der man aus Plusterfarn Möbel macht und Gitterkakteen zum Klettern züchtet. Was würde geschehen, wenn er hier einfach ein Samenkorn der Kürbiseiche zwischen die kahlen Kakteen steckte, dieses wundersamen, in skurrilen Knollen wachsenden Riesenbaums mit seinen Blasen und Gängen, den handtellergroßen Poren in der Rinde, die mit der durchsichtigen Membran richtige kleine Fenster sind? Würden die Terraner überhaupt begreifen, daß man in solch einem Baum viel angenehmer wohnt als in ihren Urbaniden?
Wenn er doch erst das Büro zur Untersuchung abweichender Verhaltensweisen gefunden hätte! Beinahe sehnte sich Marigg nach der Ikaros zurück. Was die Angestellten dieses seltsamen Büros von ihm wollten, war ihm völlig gleichgültig. Seine Herkunft rechtfertigte alle möglichen Abweichungen von der Norm, soweit sie nicht grobe Verstöße gegenterranische Moralvorstellungen bedeuteten. Und bei aller Überheblichkeit der Terraner mußte er doch auch ihre bemerkenswerte Toleranz Fremden gegenüber anerkennen.
Marigg eilte mit langen Schritten die Darkzyklinale entlang, drängte sich durch Menschentrauben hindurch und wich den Klumpen aus Leibern furchtsam aus, wenn sie ihm gar zu kompakt erschienen.
Da sah er ihn. Der Mann ging nicht, er stolzierte. Seine gleißenden Schmieggoldstiefel waren über den Knien umgeschlagen, so daß die purpurne Innenseite einen breiten Rand bildete, das schillernde Trikot aus diesem Stoff, der sich nach einigen Stunden auflöst, saß stramm über einem schmalen Hinterteil, dessen Muskeln sich beim Gehen kraftvoll rundeten, und fast bis auf die Hüften herab fielen Wellen eines blauschwarzen, dichten Haarschopfs, unter dem sich die Schultern im Takt des katzenhaft weichen Gangs bewegten.
Wie zufällig drehte sich der Mann um, und als Marigg beim Blick der mandelförmigen, dunkelglühenden Augen weiche Knie bekam, verzogen sich die vollen Lippen des Fremden zu einem betörenden Lächeln, und Marigg hörte wie aus einer Ferne: “Makfüdam, Bürger der Blumenwelt.”
Marigg erinnerte sich dumpf an die ungewohnte Sitte, die tägliche Grußformel aus amtlich vorgegebenen Losungen zu bilden, und daran, daß die Worte für diesen Tag lauteten: “Mit aller Kraft für das Morgen.”
“Wie kann man einen elloranischen Gast nur allein durch dieses Gomorrha laufen lassen! Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten…” Und nach einer Pause, in der den spöttischen Worten ein unübersehbar mitleidiger Blick folgte, fuhr der Mann leise fort: “Sie können einen Begleiter brauchen, schätze ich. In unserer Welt sollte man auf einen kundigen Führer nicht verzichten, wenn man sie das erstemal betritt. Es ist wie in einem Zoo mit durchgerosteten Gitterstäben, und da beißen die Wölfe gelegentlich selbst ihren Lieblingswärter. Wohin darf ich Sie führen?”
Marigg starrte fasziniert auf den Mann. Das ist doch kein Terraner? ging es ihm durch den Kopf. Der muß vom Epsilon sein – oder vielleicht auch von einem Wegaplaneten… Im selben Augenblick aber begriff er seinen Irrtum: Die Epser haben alle einen chromgelben Teint, und für einen Weger ist der Mann trotz seiner Größe immer noch zu klein, und außerdem wächst den Wegern das Haar bis auf die Nasenwurzel. Also tatsächlich ein Terraner.
Er mußte mehrmals schlucken, bevor er seine Stimme unter Kontrolle bekam. Etwas stotternd erzählte er, daß er vom Büro zur Untersuchung abweichender Verhaltensweisen vorgeladen worden sei. “Ach, das BUAV.” Der Mann winkte geringschätzig ab. “Da brauchen Sie nicht so zu rennen, die haben so viel zu tun, daß es gar nicht auffällt, wenn einer
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