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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Empfinden für Anstand und Sitte zwang Marigg nichts, Ellora zu verlassen.
    Noch freut sich der inzwischen steinalte Dual bester Gesundheit und darf sich wieder Invictus nennen – der Unbezwungene, denn seither hat ihn kein Elloraner mehr zum mentalen Duell gefordert, und das weniger aus Furcht vor einer Niederlage, dessen ist sich Marigg gewiß. Die Elloraner gelten eben gemeinhin als Männer von edler Gesinnung, und niemand will dem alten Mann die Kränkung einer Niederlage zufügen, nachdem der so deutlich zu verstehen gab, daß er nicht verlieren will.
    Aber Marigg Ellis interessiert das nur wenig, und er muß alle seine mentale Kraft zusammennehmen, wenn in seinem Denken der Wunsch keimt, Dual möge bald das Ende seines Weges erreichen und sich digitalisieren lassen, denn die Sehnsucht nach der Heimat verdunkelt die Tage und macht die Nächte kalt in dieser barbarischen terranischen Welt, in der man nur über andere lacht, nie über sich selbst…
    “Er ist wirklich verschwunden, glaubt mir doch, es ist wahr”, flüstert Skagit niedergeschlagen, und Marigg weiß sofort, daß der Gefährte diesmal kein Theater vorspielt. Aus Skamanders Richtung spürt er einen Stau mühsam zurückgehaltener Erregung. Allmählich hat er es gelernt, die mentale Aura der Terraner zu entschlüsseln, und so duckt er sich unwillkürlich in Erwartung des Ausbruchs.
    Die Schuld lastet unerträglich auf Skamanders Gewissen. Niemand kann es dem scheinbar gleichgültigen Blick entnehmen – nur Marigg erkennt es mit erschreckender Klarheit. Skamander ist für ihn wie aus Glas. Nichts bleibt Marigg verborgen, was in diesem Mann vorgeht. Längst weiß er, daß Skamander ein Mungo ist. Vor einigen Jahren hätte ihn das kaltgelassen – die Angelegenheiten der Terraner gehen ihn nichts an. Jetzt aber ist das anders. Nicht etwa, weil er Skamander liebt. Eine Krankheit könnte seine Gefühle für diesen Mann nicht schwächen. Sein Problem ist ein anderes: Gegen seine Überzeugung hat er Skamander bisher nicht beim MOBS gemeldet, denn täte er das, würde er das einzige verlieren, was dieser ihm gönnt – seine Nähe. Das erstemal in seinem Leben erfährt Marigg, was Egoismus ist. Er schadet Skamander mit seinem Schweigen, diese Erkenntnis ist durch nichts zu erschüttern. Er als Außenstehender hat das sofort begriffen, als der Mitarbeiter des MOBS ihm den Sachverhalt geduldig erklärte: Es geht darum, die Mungos ebenso zu schützen wie die Gemeinschaft. Und deshalb ist das ein schwerer Konflikt für Marigg, dieser Zwiespalt von Gefühl und Verstand.
    “Also suchen wir doch den kleinen Arthur, meine lieben Schnuckchen!” trompetet Marigg mit einem Optimismus, dessen Verlogenheit seiner Meinung nach aus jeder einzelnen Silbe klingt, denn er weiß nun ebenso wie Skamander, daß die Suche zwecklos sein wird. Arthur ist tot, und Skamander hat etwas damit zu tun.
    Ach, diese Terraner, denkt Marigg ein wenig traurig, als zustimmendes Gemurmel einsetzt, sie sind blind und taub, sie verstehen nur, was ihre Augen sehen und ihre Ohren hören…
    Aber das Ablenkungsmanöver ist gelungen, und darauf kam es Marigg an. Und als Skamander sich zögernd erhebt und Atem schöpft, da drückt er ihn schnell auf den Stuhl nieder und gackert laut: “Also los, hopp, hopp, meine Schnuckchen, an die Arbeit, keine Müdigkeit vorgeschützt, in die Wanten, ihr Affen!”
    Skamander blickt ihn verwirrt an; dann zuckt das Begreifen mit dem Schatten des Schrecks über sein Gesicht. “Woher weißt du?” flüstert er tonlos.
    Als nur noch sie beide in der Messe sind, antwortet Marigg leise: “Irgendwann kannst du es Skagit sagen, wenn es dir keine Ruhe läßt, aber du mußt es nicht, euch Terranern fällt es ja nicht schwer, mit einer Lüge zu leben… Aber sag es ihm nicht heute und morgen.”
    “Woher weißt du es?” fragt Skamander erneut, diesmal bereits energisch.
    “Wir Elloraner sehen mit dem Gefühl, nicht nur mit den Augen…”, sagt Marigg und merkt sofort, daß er aus seiner Deckung getreten ist. Deshalb bricht er in ein meckerndes Lachen aus und fügt hinzu: “Wir sehen mit den Augen der Liebe, mein Schnuckchen, die Augen der Liebe…”
    Skamander aber blickt ihm überrascht ins Gesicht, verzieht unwillig den Mund und verlangt: “Laß die Albernheiten, das bist du doch gar nicht! Jetzt eben hast du dich verraten. Warum verstellst du dich, Schnuckchen?”
    Marigg überlegt blitzschnell. Soll er sich Skamander anvertrauen? Wie oft hat er mit diesem

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