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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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zu spät kommt. Nein, nein – das hat wirklich Zeit. Gönnen Sie sich erst mal eine kleine Pause. Wenn man gerade ins Wasser gefallen ist und gelernt hat, nicht unterzutauchen, sollte man nicht gleich übern Pazifik schwimmen wollen. Ich kenne da eine nette kleine Robinsoninsel…”
    Alles Weitere nahm Marigg so wahr, als hätte er mindestens eine halbe Flasche echten elloranischen Ananis geleert. Der Mann legte ihm freundschaftlich den Arm um die Schultern und zog ihn mit sich fort. Warum ich, warum gerade ich? fragte sich Marigg noch ein Weilchen, ganz atemlos vor Verwirrung, bis er endlich vor der Sinnlosigkeit dieser Frage kapitulierte und zaghaft das Staunen genoß, Freude gewann an der Farbenpracht der Kleider und Gewänder der Passanten, Spaß an den skurrilen Formen der Plusterfarnbüsche, Interesse am chaotischen Gewimmel der Amigos auf der Darkzyklinale.
    Und als der andere ihn sanft in eins dieser Fahrzeuge schubste, lachte Marigg das erstemal seit seiner Ankunft auf Terra, denn der Amigo verlangte hartnäckig eine Qualle und erklärte selbstbewußt, sein Organismus habe sich so an das Tonikum gewöhnt, daß bei sinkendem Hormonspiegel Entzugserscheinungen in Form von krassem Leistungsschwund einträten. Der Mann spendierte dem biomechanischen Organismus aber keine Qualle, sondern steckte eine grüne Karte in den Eingabeschlitz und sagte unfreundlich: “Spute dich, mein Guter, wenn du nicht deine Individualität verlieren willst.”
    Erst viel später erfuhr Marigg, welche Macht diese grüne Karte symbolisiert. Damals wunderte er sich nur darüber, daß der Amigo wie eine Rakete davonschoß.
    Der Mann redete während der Fahrt wie ein Wasserfall. Die Worte sprudelten – Marigg nahm kaum in sich auf, was der andere sagte, sondern berauschte sich an der Ausdrucksstärke dieser etwas metallisch klingenden Stimme, an deren Variabilität und Nuancenreichtum. Immer noch war es ihm wie ein Traum, und als er mit äußerster Vorsicht körperliche Nähe suchte, die unverhohlenen Angebote des Fremden annahm, sich an ihn lehnte und scheu das dicke, pelzige Haar betastete, da gluckste dieser erregt und flüsterte heiser: “Es wird Ihnen gefallen, Marigg, Sie sind dafür wie geschaffen.”
    Marigg war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Phantasie zu zügeln, die ihm Verlockungen ausmalte, die der andere mit diesem “es” gemeint haben könnte, um sich zu fragen, woher dieser seinen Vornamen wußte… Und die anfängliche Enttäuschung wich rasender Leidenschaft, als die Stoßwellen der Kristomusik seinen Körper schüttelten. Erst dachte er: Ach, du meine Güte, dem hätte ich aber mehr Originalität zugetraut. Das war ja das übliche Ritual, tanzen, trinken, miteinander schlafen… Aber auf Ellora gab es keinen Stoßwellensound.
    Als Mariggs Arme und Beine von unsichtbaren Kräften gepackt und umhergeschleudert wurden, stockte ihm für Sekunden der Atem, und er begriff nicht, was mit ihm geschah. Er tanzte nicht – er wurde getanzt. Und als er sich dessen dumpf bewußt wurde, schüttelte ihn ein irrsinniges Lachen, das er nicht mehr zurückhalten konnte. Er sah, wie einige Tänzer im Rhythmus seines Lachens zuckten, aber er entdeckte noch immer nicht das Geheimnis dieses Vergnügens. Die flammenden Blicke, die sein Begleiter einem anderen Mann zuwarf, brachten Marigg endlich auf die Spur. Die Zuckungen und Verrenkungen des Fremden strahlten eine suggestive Macht aus, der sich Marigg willenlos unterwarf. Oder war es seine Eifersucht auf ebenjene Blicke, die in ihm die mentale Sperre lockerte? Die Stoßwellen peitschten seinen Körper mit orgastischen Impulsen, die er bis zu jenem Moment gierig genoß, in dem er das Funkeln in den glühenden Augen seines Partners wahrnahm. Sicherlich war es ein Mißverständnis. Sekunden später war er davon überzeugt. Als er sich nämlich trotzig gegen den Rhythmus sträubte, der ihn umherwirbelte, und an eine der leisen, melancholischen Melodien seiner Heimat dachte, geschah das vermeintliche. Wunder. Plötzlich erklang die Tonfolge der Weise, die in seinem Gedächtnis aufblitzte. Alle Tänzer verharrten einen Augenblick, und Marigg fühlte sich auf einmal frei und leicht wie eine Feder. Feines Zirpen füllte die Kristo, das dumpfe Pochen der elloranischen Körpermusik wurde zum Pulsschlag, unter dem die Tanzfläche erbebte – und auf einmal begriff Marigg, was es mit den Stoßwellen auf sich hatte. Es war beinahe so etwas wie mentale Suggestion, nur hatten die Terraner

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