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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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fort gewesen«, war alles, was mir zu sagen einfiel. Mir drohte der Schädel zu zerspringen. Ich presste die Knie zusammen, um nicht die Kontrolle über meine
    Blase zu verlieren. Der Talib wandte sich den beiden Männern an der Tür zu. »Beantwortet das meine Frage?«, fragte er.
    »Nay, Aga Sahib«, antworteten sie unisono und grinsten dabei.
    Er richtete den Blick wieder auf mich. Zuckte mit den Schultern. »Sie sagen, das war keine Antwort.« Er zog an seiner Zigarette. »In meinen Kreisen gibt es Stimmen, die sind der Meinung, dass Hochverrat begeht, wer sein watan im Stich lässt, wenn es in Not ist und Hilfe braucht. Ich könnte dich dafür verhaften, ja sogar erschießen lassen. Macht dir das Angst?«
    »Ich bin nur wegen des Jungen hier.«
    »Macht dir das Angst?«
    »Ja.«
    »Das sollte es auch«, sagte er und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Drückte die Zigarette aus.
    Ich dachte an Soraya. Das beruhigte mich. Ich dachte an ihr sichelförmiges Muttermal, an den elegant geschwungenen Hals, die strahlenden Augen. Ich dachte an den Abend unserer Hochzeit, wie wir uns im Spiegel unter dem grünen Schleier gegenseitig betrachtet hatten, wie sie errötete, als ich ihr flüsternd meine Liebe gestand. Ich erinnerte mich, wie wir zu einem alten afghanischen Lied getanzt hatten, ausgelassen, im Kreis, vor aller Augen und stürmisch beklatscht - die Welt, ein verwischtes Bild aus Blumen, Abendkleidern, Smokings und lächelnden Gesichtern.
    Der Talib sagte irgendetwas. »Pardon?«
    »Ich fragte, ob du ihn sehen willst? Möchtest du ihn sehen, meinen Jungen?« Seine Oberlippe verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, als er die beiden letzten Worte sagte. »Ja.«
    Die Wache verließ den Raum. Ich hörte eine Tür quietschen. Hörte einen harschen Befehl auf Paschto. Dann Schritte und mit jedem Schritt ein Klingeln von Glöckchen. Ich fühlte mich an den Affen-Mann erinnert, dem Hassan und ich immer durch Shar-e-Nau hinterhergelaufen waren. Für eine Rupie hatte er uns zuliebe seinen Affen tanzen lassen, der Schellen um den Hals trug. Das hatte ganz ähnlich geklungen.
    Dann öffnete sich die Tür, und der Wachmann kehrte zurück. Er trug ein Kofferradio -einen Ghetto-Blaster - auf der Schulter. Ihm folgte ein Junge in einem weiten saphirblauen pirhan-tumban.
    Die Ähnlichkeit war kaum zu fassen. Ganz und gar irritierend. Rahim Khans Polaroid hatte diese Ähnlichkeit überhaupt nicht erkennen lassen.
    Er hatte die gleiche schmächtige Gestalt wie sein Vater, das gleiche runde Mondgesicht, das gleiche spitz zulaufende kleine Kinn, die gleichen Ohrmuscheln, verdreht, wie sie waren. Es war das chinesische Puppengesicht aus meiner Kindheit, das Gesicht, das sich während jener Wintertage über den aufgefächerten Spielkarten zeigte, hinter dem Moskitonetz, wenn wir im Sommer auf dem Dach meines Vaterhauses schliefen. Sein Kopf war kahl geschoren, die Augen waren dunkel geschminkt, und die Wangen schimmerten unnatürlich rot. Als er mitten im Raum stehen blieb, hörten die Schellen, die an seinen Fußgelenken befestigt waren, zu klingeln auf.
    Er sah mich an, hielt meinem Blick eine Weile stand, wich ihm dann aber aus. Er schaute nach unten auf seine nackten Füße.
    Eine der Wachen drückte einen Knopf. Es erklang Paschto-Musik. Tabla, Harmonium, eine klagende dil-roba. Musik war letztlich wohl doch keine Sünde, solange sie den Taliban gefiel. Die drei Männer klatschten in die Hände.
    »Wah wah! Mashallah!«, riefen sie.
    Suhrab hob die Arme und drehte sich auf Zehenspitzen langsam und anmutig im Kreis, ging in die Knie, richtete sich wieder auf und kreiste wieder um die eigene Achse. Er verdrehte die kleinen Hände, schnippte mit den Fingern und wiegte den Kopf wie ein Pendel hin und her. Mit stampfenden Fußbewegungen ließ er die Schellen klingeln, synchron zum Schlag der tabla. Die Augen hielt er geschlossen.
    »Mashallah!«, johlten sie. »Shahbas! Bravo!« Die beiden Wachen pfiffen und lachten. Der Talib in Weiß nickte mit dem Kopf im Takt zur Musik, den Mund halb geöffnet mit anzüglichem Grinsen.
    Suhrab tanzte, bis die Musik verstummte. Die Schellen klingelten ein letztes Mal, als er zum Schlussakkord mit dem Fuß aufstampfte. Er erstarrte mitten in der Bewegung.
    »Bia, bia, mein Junge«, sagte der Talib und rief Suhrab zu sich. Der Junge kam mit gesenktem Kopf. Der Talib legte die Arme um ihn und zog ihn zwischen seine Schenkel. »Nay, wie talentiert er ist, mein Hazara-Junge!«, feixte er und streichelte

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