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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Armand, entlassen zu werden.
    »Dazu ist es noch zu früh«, protestierte Armand. Statt des Krankenhauskittels trug er heute einen marineblauen Anzug und eine gelbe Krawatte. Das Haar war frisch gegelt. »Sie müssen noch intravenös mit Antibiotika versorgt werden ...«
    »Ich muss hier weg«, fiel ich ihm ins Wort. »Ich bin Ihnen und dem ganzen Personal sehr dankbar, wirklich. Aber ich muss jetzt hier weg.«
    »Wohin wollen Sie?«, fragte Armand.
    »Darauf möchte ich lieber nicht antworten.«
    »Sie können sich doch kaum auf den Beinen halten.«
    »Ich schaff s schon durch den ganzen Flur und zurück«, erwiderte ich. »Ich komme klar.« Mein Plan war folgender: Das Krankenhaus verlassen. Aus dem Schließfach der Bank Geld holen und meine Krankenhausrechnung begleichen. Zum Waisenhaus fahren und Suhrab bei John und Betty Caldwell absetzen. Dann nach Islamabad reisen, noch ein paar Tage ausruhen. Und nach Hause fliegen.
    Das hatte ich vor. Bis Farid und Suhrab an diesem Morgen kamen. »Deine Freunde, dieser John Caldwell und seine Frau, sind gar nicht in Peshawar«, sagte Farid.
    Ich hatte zehn Minuten gebraucht, nur um in meinen pirhan-tumban zu schlüpfen. Die noch wunde Stelle auf der Brust, in der das Plastikrohr gesteckt hatte, schmerzte höllisch, als ich den Arm hob, und der Magen schnürte sich mir zusammen, sooft ich mich nach vorn beugte. Meine wenigen Sachen einzupacken war so anstrengend, dass ich in Atemnot geriet. Ich hatte es dann schließlich doch geschafft und saß auf der Bettkante, als Farid mit der Nachricht herausrückte. Suhrab saß neben mir auf dem Bett.
    »Wo sind sie hin?«, fragte ich.
    Farid schüttelte den Kopf. »Verstehst du nicht...«
    »Rahim Khan hat doch gesagt...«
    »Ich war im US-Konsulat«, berichtete Farid und nahm die braune Papiertüte, in die ich meine Sachen gesteckt hatte. »In Peshawar sind nie ein John und eine Betty Caldwell gemeldet gewesen. Laut Auskunft der Leute im Konsulat existieren die beiden überhaupt nicht. Jedenfalls nicht hier in Peshawar.«
    Neben mir blätterte Suhrab in der alten National-Geographic- Ausgabe.
    Wir holten das Geld von der Bank. Der Manager, ein dickbäuchiger Mann mit Schwitzflecken unter den Achseln, lächelte ununterbrochen und versicherte mir, dass niemand in der Bank das Geld angerührt habe. »Absolut niemand«, bekräftigte er und fuchtelte genau wie Armand mit dem Zeigefinger in der Luft herum.
    Mit so viel Geld in einer Papiertüte durch Peshawar zu fahren war eine ziemlich beängstigende Vorstellung. Außerdem würde ich in jedem bärtigen Mann, der mich zufällig anstarrte, einen von Assef auf mich angesetzten Killer sehen. Ich hätte wahrhaftig viele zu beargwöhnen gehabt, denn es gibt jede Menge bärtige Männer in Peshawar, und alle starren.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte Farid, als er mich langsam von der Krankenhauspforte zum Auto führte. Suhrab hockte bereits im Fond des Landcruisers und stierte, das Kinn in die Hand gelegt, durch das heruntergekurbelte Fenster auf den Verkehr.
    »In Peshawar kann er jedenfalls nicht bleiben«, antwortete ich keuchend.
    »Nay, Amir Aga, das kann er nicht«, bestätigte Farid. Er ahnte, was ich gern gefragt hätte. »Tut mir Leid. Ich wünschte, ich ...«
    »Schon gut, Farid.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Du hast schon genug Mäuler zu füttern.« Neben dem Wagen stand ein Hund auf den Hinterbeinen; er stützte sich mit den Pfoten an der Tür ab und wedelte, von Suhrab gestreichelt, mit dem Schwanz. »Er wird wohl fürs Erste mit mir nach Islamabad kommen müssen«, sagte ich.
    Ich schlief fast während der gesamten vierstündigen Fahrt nach Islamabad und träumte eine Menge. In Erinnerung geblieben ist mir nur ein Sammelsurium von Bildern, Ausschnitte von visuellen Eindrücken, die mir wie die Karten einer Rollkartei durch den Kopf flatterten: Baba, wie er für meine dreizehnte Geburtstagsfeier Lammfleisch mariniert. Soraya und ich am Morgen nach der Hochzeitsnacht, die Musik vom Vorabend noch in den Ohren und ihre mit Henna bemalten Hände mit meinen verschränkt. Mit Baba und Hassan auf einem Erdbeerfeld bei Jalalabad - der Besitzer hatte uns erlaubt, so viele Erdbeeren zu essen, wie wir mochten, vorausgesetzt, dass wir mindestens vier Kilo kaufen würden - und wie wir uns am Ende vor Magenschmerzen krümmten. Wie dunkel, fast schwarz Hassans Blut ausgesehen hatte, das aus seinem Hosenboden in den Schnee getropft war. Blut ist dicker als Wasser, bachem. Khala Jamila,

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