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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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waren. Aber mir fiel etwas ein, was mein Lehrer in jenem Sommer über die Iraner gesagt hatte: dass sie grinsende Schönredner seien, die dir mit der einen Hand auf den Rücken klopften und mit der anderen den Geldbeutel aus der Tasche stahlen. Ich erzählte Baba davon, und er erwiderte, mein Lehrer sei einer dieser eifersüchtigen Afghanen, eifersüchtig, weil der Iran eine aufstrebende Macht in Asien darstellte und die meisten Leute auf der Welt nicht einmal wussten, wo Afghanistan lag. »Es tut weh, das zu sagen«, erklärte er schulterzuckend. »Aber es ist besser, von der Wahrheit verletzt als mit einer Lüge getröstet zu werden.«
    »Ich werde dir eines Tages einen kaufen«, sagte ich. Hassans Miene hellte sich auf. »Einen Fernseher? Ehrlich?«
    »Klar. Und nicht bloß so ein Schwarzweißding. Wir werden dann wahrscheinlich schon erwachsen sein, aber ich werde uns zwei holen. Einen für dich und einen für mich.«
    »Ich würde ihn auf den Tisch stellen, wo ich meine Zeichnungen aufbewahre«, verkündete Hassan.
    Das machte mich irgendwie traurig. Ich bedauerte Hassan für das, was er war, wo er lebte. Und dafür, wie er die Tatsache akzeptiert hatte, dass er in dieser Lehmhütte im Garten alt werden würde wie sein Vater vor ihm. Ich zog die letzte Karte, spielte zwei Damen und eine Zehn aus.
    Hassan nahm die Damen auf. »Ich glaube, du wirst Aga Sahib morgen sehr stolz machen.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Inshallah«, sagte er.
    »Inshallah«, sagte auch ich, obwohl es aus meinem Mund nicht so aufrichtig klang. So war das eben mit Hassan. Er war so verdammt ehrlich, dass man sich neben ihm immer wie ein Betrüger vorkam.
    Ich stach seinen König und spielte meine letzte Karte aus, das Pikass. Er musste es aufnehmen. Ich hatte gewonnen, aber als er die Karten für eine weitere Runde mischte, wurde ich den Verdacht nicht los, dass Hassan mich hatte gewinnen lassen.
    »Amir Aga.«
    »Ja?«
    »Es gefällt mir gut, wo ich wohne, weißt du.« Das machte er andauernd. Ständig las er meine Gedanken. »Es ist mein Zuhause.«
    »Wie du meinst«, sagte ich. »Jedenfalls wirst du auch die nächste Runde verlieren, da bin ich mir sicher.«
    7
    Am nächsten Morgen, als er den schwarzen Tee für das Frühstück aufbrühte, erzählte mir Hassan von einem Traum, den er gehabt hatte. »Wir waren am Ghargha-See, du und ich, Vater, Aga Sahib, Rahim Khan und Tausende von Menschen«, sagte er. »Es war ein warmer, sonniger Tag, und der See war so klar wie ein Spiegel. Aber niemand traute sich ins Wasser, weil sich angeblich ein Ungeheuer darin versteckte. Es lauert am Grund, hieß es.«
    Er goss mir eine Tasse ein, tat Zucker dazu und blies einige Male auf den Tee, ehe er die Tasse vor mir abstellte. »Deshalb hat also jeder Angst, ins Wasser zu gehen, aber plötzlich schleuderst du deine Schuhe fort, Amir Aga, und ziehst dein Hemd aus. >Da gibt es gar kein Ungeheuer< behauptest du. >Ich werde es euch beweisend Und bevor dich jemand aufhalten kann, hechtest du ins Wasser und schwimmst davon. Ich folge dir, und wir schwimmen auf den See hinaus.«
    »Aber du kannst doch gar nicht schwimmen.«
    Hassan lachte. »Es ist ein Traum, Amir Aga! In einem Traum kann man alles. Jedenfalls schreien alle: > Kommt da raus! Kommt da raus!<, aber wir schwimmen einfach weiter in dem kalten Wasser. Wir schaffen es bis zur Mitte des Sees. Dort drehen wir uns zum Ufer um und winken den Leuten zu. Sie sehen klein aus, wie Ameisen, aber wir können sie klatschen hören. Da begreifen sie: Es gibt gar kein Ungeheuer, nur Wasser. Daraufhin ändern sie den Namen des Sees und nennen ihn von nun an >Der See von Amir und Hassan, den Sultanen von Kabuh, und wir dürfen Geld dafür nehmen, wenn die Leute darin schwimmen wollen.«
    »Und was hat das jetzt zu bedeuten?«, fragte ich.
    Er bestrich mein naan mit Marmelade und legte es auf einen Teller. »Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, dass du es mir sagen könntest.«
    »Nun, es ist ein dummer Traum. Es geschieht ja gar nichts darin.« »Vater sagt, dass Träume immer etwas zu bedeuten haben.«
    Ich trank einen Schluck Tee. »Warum fragst du dann nicht ihn, wenn er so klug ist«, sagte ich in einem schärferen Ton, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Mein Nacken und mein Rücken waren wie zusammengedrückte Sprungfedern, und meine Augen brannten. Dennoch, ich war gemein zu Hassan gewesen. Beinahe hätte ich mich bei ihm entschuldigt, tat es aber dann doch

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