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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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denn nicht gehört?«, fragte Baba.
    »Das Leben hier ist für uns unmöglich geworden, Aga Sahib. Wir gehen von hier weg.« Ali zog Hassan an sich, legte den Arm um die Schulter seines Sohnes. Es war eine beschützende Geste, und ich wusste, vor wem Ali ihn beschützte. Ali blickte zu mir hinüber, und in seinem kalten, unversöhnlichen Blick sah ich, dass Hassan es ihm erzählt hatte. Er hatte ihm alles erzählt, über Assef und seine Freunde und was sie ihm angetan hatten, über den Drachen und über mich. Seltsamerweise war ich froh, dass jemand wusste, was für ein Mensch ich wirklich war; denn ich hatte genug von der Versteckspielerei.
    »Das mit dem Geld oder der Uhr ist mir egal«, sagte Baba, der die Arme geöffnet hatte und dessen Handflächen zum Himmel zeigten. »Ich verstehe nur nicht, warum du das tust... was meinst du mit unmöglich?«
    »Es tut mir Leid, Aga Sahib, aber wir haben bereits gepackt. Unsere Entscheidung ist gefallen.«
    Als Baba sich erhob, war ein kummervoller Ausdruck auf seinem Gesicht. »Ali, habe ich nicht gut für dich gesorgt? Bin ich zu dir und Hassan nicht gut gewesen? Du bist der Bruder, den ich nie gehabt habe, Ali, das weißt du doch. Bitte geh nicht.«
    »Macht es nicht schwerer, als es ohnehin schon ist, Aga Sahib«, sagte Ali. Sein Mund zuckte, und einen Moment lang glaubte ich, eine Grimasse zu sehen. Da begriff ich die Tiefe des Schmerzes, den ich verursacht hatte, die Größe des Leids, das ich über alle gebracht hatte, sodass nicht einmal Alis erstarrte Miene seinen Kummer verbergen konnte. Ich zwang mich, Hassan anzusehen, aber er hatte den Kopf tief gebeugt, seine Schultern waren nach vorn gesackt, und seine Finger spielten mit einem Faden, der sich aus dem Saum seines Hemdes gelöst hatte.
    Babas Stimme hatte einen flehenden Tonfall angenommen. »Dann sag mir doch wenigstens, warum. Ich muss den Grund wissen!«
    Aber Ali verriet Baba nichts. Er schwieg zu seinen Fragen genauso, wie er geschwiegen hatte, als Hassan den Diebstahl gestand. Ich werde niemals wirklich wissen, warum er es getan hat, doch ich konnte mir vorstellen, wie die beiden in dieser düsteren kleinen Hütte weinend dasaßen und Hassan ihn anflehte, mich nicht zu verraten. Aber ich konnte nicht ermessen, welche Beherrschung es Ali gekostet haben musste, dieses Versprechen zu halten.
    »Werdet Ihr uns zur Bushaltestelle fahren?«
    »Ich verbiete dir, das zu tun!«, brüllte Baba ungehalten. »Ich verbiete es dir, hörst du!«
    »Bei allem Respekt, aber Ihr könnt mir gar nichts verbieten, Aga Sahib«, erwiderte Ali. »Wir arbeiten nicht mehr für Euch.«
    »Wohin wirst du gehen?«, fragte Baba, und die Stimme brach ihm dabei. »In den Hazarajat.« »Zu deinem Cousin?«
    »Ja. Werdet Ihr uns zur Bushaltestelle fahren, Aga Sahib?«
    Und dann tat Baba etwas, was ich noch nie bei ihm gesehen hatte: Er weinte. Es jagte mir ein wenig Angst ein, einen erwachsenen Mann schluchzen zu sehen. Väter sollten eigentlich nicht weinen. »Bitte«, sagte Baba, aber Ali hatte sich schon zur Tür gewandt, und Hassan trottete hinter ihm her. Ich werde niemals vergessen, wie Baba dieses Wort aussprach, werde niemals den Schmerz in seiner Bitte vergessen, die Angst, die darin lag.
    In Kabul regnete es selten im Sommer. Der klare Himmel erstrahlte in seinem Blau, und die Sonne glich einem Brandeisen, das einem den Nacken versengte. Bäche, in denen Hassan und ich den ganzen Frühling über Steine hatten springen lassen, trockneten aus, und Rikschas wirbelten Staub auf, wenn sie vorüberfuhren. Die Leute gingen für die zehn raka't des Mittagsgebets in die Moschee und zogen sich dann irgendwo in den Schatten zurück, um zu dösen und auf die Kühle des frühen Abends zu warten. Sommer hieß lange, verschwitzte Schultage in hoffnungslos überfüllten, schlecht belüfteten Klassenräumen: Tage, an denen wir lernten, Verse aus dem Koran aufzusagen, und uns mit den zungenbrecherischen arabischen Wörtern herumquälten. Hieß Fliegen in der Handfläche fangen, während der Mullah die Worte herunterleierte und eine heiße Brise den Gestank vom Klohäuschen herübertrug, das auf der anderen Seite des Schulhofs stand, und den Staub um den einsamen, altersschwachen Basketballkorb aufwirbelte.
    Aber als Baba Ali und Hassan an jenem Nachmittag zur Bushaltestelle fuhr, regnete es. Gewitterwolken zogen auf, färbten den Himmel stahlgrau. Innerhalb von wenigen Minuten schüttete es nur so, und das ununterbrochene Rauschen des

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