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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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einem Rasen, auf dem unsere Kinder spielen konnten. Und an den Freitagen, nach dem namaz in der Moschee, sollten sich alle zum Essen in unserem Haus treffen, und wir wollten mit ihnen im Garten essen, unter den Kirschbäumen, frisches Wasser aus dem Brunnen trinken. Und danach hätte es Tee mit Süßigkeiten gegeben, während wir zusahen, wie unsere Kinder mit ihren Cousins spielten ...«
    Er nahm einen großen Schluck von seinem Scotch. »Du hättest einmal den Gesichtsausdruck meines Vaters sehen sollen, als ich ihm davon erzählte. Meine Mutter ist sogar in Ohnmacht gefallen. Meine Schwestern haben ihr Wasser ins Gesicht gespritzt und ihr Luft zugefächelt und mir einen Blick zugeworfen, als hätte ich ihr die Kehle durchgeschnitten. Mein Bruder Jalal hatte bereits sein Jagdgewehr geholt, bevor mein Vater ihn aufhalten konnte.« Rahim Khan stieß ein bellendes, verbittertes Lachen aus. »Homaira und ich mussten es allein gegen die ganze Welt aufnehmen. Und du darfst mir eins glauben, Amir jan: Am Ende ist es immer die Welt, die gewinnt. So ist das nun einmal.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Am selben Tag noch hat mein Vater Homaira und ihre Familie auf einen Lastwagen verfrachtet und sie in den Hazarajat geschickt. Ich habe sie nie wiedergesehen.« »Das tut mir Leid«, sagte ich.
    »Ist wahrscheinlich besser so gewesen«, sagte Rahim Khan und zuckte mit den Schultern. »Sie hätte darunter gelitten. Meine Familie hätte sie niemals als eine der Ihren akzeptiert. Man kann doch niemanden mit Schwester anreden, dem man gestern noch befohlen hat, die Schuhe zu putzen.« Er blickte mich an. »Du weißt doch, dass du mir alles sagen kannst, Amir. Ich bin immer für dich da. Jederzeit.«
    »Ich weiß«, sagte ich unsicher. Er blickte mich lange an, als wartete er auf etwas, und seine schwarzen unergründlichen Augen deuteten an, dass es ein unausgesprochenes Geheimnis zwischen uns gab. Einen Moment lang war ich versucht, ihm davon zu erzählen. Ihm alles zu erzählen, aber was würde er dann wohl von mir halten? Er würde mich verabscheuen, und das mit Recht.
    »Hier.« Er reichte mir etwas. »Das hätte ich beinahe vergessen. Alles Gute zum Geburtstag.« Es war ein Notizbuch, in braunes Leder gebunden. Ich fuhr mit den Fingern über die mit Gold abgesteppten Kanten. Roch an dem Leder. »Für deine Geschichten«, sagte er. Ich wollte mich gerade bei ihm bedanken, als ein Krachen ertönte und Lichter über den Himmel zuckten.
    »Ein Feuerwerk!«
    Wir eilten zum Haus zurück, und dort standen alle Gäste im Garten und blickten zum Himmel hinauf. Kinder johlten und schrien bei jedem Prasseln und Zischen. Die Leute jubelten und brachen jedes Mal in Beifall aus, wenn eine Rakete hinaufschoss und in einem Feuerstrauß explodierte. Alle paar Sekunden wurde der Garten in rotes, grünes und gelbes Licht getaucht.
    Während einer dieser Salven sah ich etwas, das ich niemals vergessen werde: Hassan servierte Assef und Wali Getränke von einem Silbertablett. Das Licht funkelte und erstarb, dann ein Zischen und ein Knistern und wieder ein Flackern, dieses Mal orangefarben grinsender Assef, der Hassan einen Fingerknöchel gegen die Brust drückt. Dann gnädigerweise Dunkelheit.
    9
    A m nächsten Morgen saß ich in meinem Zimmer und riss ein Geburtstagspäckchen nach dem anderen auf. Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe machte, sie auszupacken, da ich sämtliche Geschenke nur mit einem freudlosen Blick bedachte und dann in die Ecke warf. Der Haufen dort wurde immer höher: eine Polaroidkamera, ein Transistorradio, eine aufwändige elektrische Eisenbahn - und mehrere zugeklebte Briefumschläge, die Bargeld enthielten. Ich wusste, dass ich weder das Geld ausgeben noch dem Radio lauschen würde, und auch die elektrische Eisenbahn würde niemals in meinem Zimmer über ihre Schienen rollen. Ich wollte nichts davon haben - es war alles Blutgeld; Baba hätte niemals eine solche Feier für mich ausgerichtet, wenn ich nicht das Turnier gewonnen hätte.
    Von ihm bekam ich zwei Geschenke. Das eine hätte gewiss den Neid jedes Kindes in der Nachbarschaft hervorgerufen: ein nagelneues Fahrrad der Marke »Schwinn Stingray«, das beste aller Fahrräder. Nur eine Hand voll Kinder in ganz Kabul besaß ein solches Stingray, und jetzt gehörte ich dazu. Das Rad hatte einen hohen, geschwungenen Lenker mit schwarzen Gummigriffen und natürlich einen Bananensattel. Die Speichen waren goldfarben, der Stahlrahmen rot wie ein kandierter

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