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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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oder zwei Bissen zu sich, und selbst das wohl nur aus Höflichkeit ihr gegenüber. Ich mache mir so große Sorgen um diesen mir so teuren Menschen, ich bete jeden Tag für ihn. Er reist in ein paar Tagen nach Pakistan, um dort einige Ärzte aufzusuchen, und ich hoffe, dass er mit guten Nachrichten zurückkehren wird. Aber in meinem Herzen fürchte ich um ihn.
    Farzana jan und ich haben dem kleinen Suhrab gesagt, dass es Rahim Khan Sahib bald wieder gut gehen wird. Was können wir anderes tun? Er ist doch erst zehn Jahre alt und liebt Rahim Khan Sahib über alles. Sie stehen einander sehr nah. Rahim Khan Sahib hat ihn immer auf den Basar mitgenommen und ihm Ballons und Kekse gekauft, aber dazu ist er nun zu schwach.
    Ich träume in letzter Zeit sehr viel, Amir Aga. Manchmal sind es Albträume, in denen erhängte Leichen in Fußballstadien mit blutrotem Gras verfaulen. Dann erwache ich atemlos und in Schweiß gebadet. Aber meistens sind es schöne Träume, und dafür danke ich Allah. Ich träume davon, dass es Rahim Khan Sahib wieder gut geht. Ich träume davon, dass mein Sohn zu einem guten Menschen heranwächst, einem freien Menschen und einem wichtigen Menschen. Ich träume davon, dass wieder lawla-Blumen in den Straßen Kabuls blühen und rubab-Musik in den Samowar-Häusern gespielt wird. Und dass Drachen am Himmel fliegen. Und ich träume davon, dass du eines Tages wieder nach Kabul zurückkehrst, um das Land unserer Kindheit zu besuchen. Wenn du das tust, wirst du hier einen alten treuen Freund vorfinden, der auf dich wartet. Möge Allah immer mit dir sein, Hassan
    Ich las den Brief zweimal. Dann faltete ich ihn und betrachtete erneut für eine ganze Weile das Foto, ehe ich schließlich beides einsteckte. »Wie geht es ihm?«, fragte ich.
    »Dieser Brief wurde vor sechs Monaten geschrieben, wenige Tage bevor ich nach Peshawar aufgebrochen bin«, erwiderte Rahim Khan. »Das Foto habe ich am Tag vor meiner Abreise aufgenommen. Einen Monat nach meiner Ankunft in Peshawar erhielt ich einen Telefonanruf von meinem Nachbarn in Kabul. Er erzählte mir die ganze Geschichte: Kurz nach meiner Abreise hatte sich das Gerücht verbreitet, dass eine Hazara-Familie allein in dem großen Haus im Wazir-Akbar-Khan-Viertel lebt - oder so haben es die Taliban jedenfalls später behauptet. Zwei Beamte der Taliban kamen, um die Angelegenheit zu untersuchen und Hassan zu befragen. Sie beschuldigten ihn der Lüge, als er ihnen mitteilte, dass er bei mir wohnte. Und das, obwohl viele der Nachbarn - einschließlich des Nachbarn, der mich anrief - seine Geschichte bestätigten. Die beiden Taliban behaupteten, dass er ein Lügner und ein Dieb sei wie alle Hazara, und befahlen ihm, bis zum Sonnenuntergang mit seiner Familie das Haus zu verlassen. Hassan protestierte. Aber mein Nachbar sagte, die Taliban hätten das große Haus angesehen wie - wie hat er sich noch einmal ausgedrückt? - ja, wie >Wölfe, die eine Herde von Schafen ansehen <. Sie erklärten Hassan, dass sie dort einziehen würden, angeblich, um bis zu meiner Rückkehr darauf aufzupassen. Hassan protestierte wieder. Also haben sie ihn auf die Straße hinausgebracht...«
    »Nein«, hauchte ich.
    »... und ihm befohlen, sich hinzuknien ...«
    »Nein. Oh Gott, nein.«
    »... und haben ihm von hinten eine Kugel in den Kopf geschossen.« »Nein.«
    »... Farzana kam schreiend aus dem Haus gelaufen und ist auf sie losgegangen ...« »Nein.«
    »... da haben sie auch sie erschossen. In Notwehr, wie sie nachhher behauptet haben ...« Aber ich brachte nicht mehr als ein Flüstern zustande: »Nein, nein, nein«, sagte ich unaufhörlich vor mich hin.
    Meine Gedanken kehrten immer wieder in jenes Krankenhauszimmer zurück, in dem Hassan nach seiner Hasenschartenoperation gelegen hatte. Baba, Rahim Khan, Ali und ich hatten uns um Hassans Bett versammelt und zugesehen, wie er seine neue Oberlippe in dem Handspiegel betrachtet hatte. Jetzt waren alle, die in jenem Zimmer gewesen waren, entweder tot oder todkrank. Außer mir.
    Dann wieder sah ich andere Bilder vor mir: ein Mann in einer Weste mit Fischgrätmuster, der den Lauf einer Kalaschnikow an Hassans Hinterkopf drückt. Die Explosion hallt durch die Straße, in der das Haus meines Vaters steht. Hassan sinkt auf den Asphalt, und sein Leben, das so erfüllt war von unerwiderter Anhänglichkeit, entweicht wie die vom Wind davongetragenen Drachen, hinter denen er einst herjagte.
    »Die Taliban zogen in das Haus ein«, sagte Rahim Khan. »Sie

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