Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert
aufgetaucht, wahrscheinlich
dem Gipfel seiner gesamten Kunst. Soweit Caramon das
beurteilen konnte, jonglierte der große, dünne Zauberer mit
mehreren Lichtkugeln. >Na, toll<, dachte er. Alles in allem
interessierten Zauberkunststückchen Caramon etwa ebensosehr
wie Raistlin die Ringkämpfe seines Bruders.
Caramon sah sich um, weil er nach Kitiara Ausschau hielt,
als ein lautes Hurra aus der Menge aufstieg. Er sah zurück, es
war aber schon zu spät. Der Höhepunkt war vorüber, und der
Magier packte seine Sachen zusammen. Ein anderer Mann –
fast ein Doppelgänger des Zauberers, dachte Caramon
stirnrunzelnd – lief bereits mit einem Korb für Spenden herum.
»Was hat er gemacht?« fragte Caramon Raistlin. »Was hat er
gemacht?«
Aber Raistlin sagte nichts, und sein Gesichtsausdruck war
fast glückselig.
»Da seid ihr zwei ja!« meinte eine kräftige Stimme, und
jedem fiel eine Hand auf die Schulter. »Ihr solltet längst zu
Hause sein. Und wo ist Kitiara?«
Es war Gilon, und Amber stand an seiner Seite. Er drückte
seine beiden Söhne an sich und setzte sich dann Raistlin
mühelos auf seine breiten Schultern. »Komm schon!« rief er
Caramon zu. »Wo ist Kit?« fragte er wieder, wobei er sich
zögernd umsah.
»Äh«, machte Caramon, der nach hinten schaute. »Da
hinten. Oder irgendwo da. Wir wurden getrennt, weil Raist – «
Gilon schimpfte liebevoll mit Caramon. »Du hast deine
Pflichten, und ihr solltet eure Mutter nicht zu Hause allein
lassen. Das wißt ihr.« Er sah sich wieder um. »Nun«, meinte er
achselzuckend, »Kit wird schon kommen.«
Gilon schlug ein rasches Tempo an. Caramon mußte rennen,
um Schritt zu halten. Raistlin, der auf den Schultern seines
Vaters auf und ab hüpfte, verrenkte sich den Kopf, um einen
letzten Blick auf den Magier in der ausgeblichenen gelben
Robe zu erhaschen. Aber er und sein Doppelgänger waren
bereits verschwunden.
Hinter einem Zelt hervorspähend hatten Kitiara und Aurelie
ihren Abzug beobachtet. Aurelie dachte nach und kaute dabei
auf ihrem Daumennagel herum.
»Ich sollte wirklich gehen«, setzte Kit an.
Aurelie hielt einen ihrer bestickten Beutel hoch und
schüttelte ihn, so daß Kitiara die Münzen darin klimpern hörte.
»Ich habe genug für uns beide«, sagte sie einladend. »Es gibt
Bratwürstchen und Kuchen und…«
Kitiara runzelte die Stirn, denn die häuslichen Pflichten
riefen sie.
»Und da drüben«, erklärte Aurelie durchtrieben, »bauen sie
gerade alles für die Wettkämpfe auf. Es dürfen auch Mädchen
teilnehmen!«
Kit brauchte nicht lange überredet zu werden. »Na gut, nur
für ein paar Stunden!« sagte sie.
Mehr als einer der jungen Burschen mußte an diesem
Frühlingstag in Solace heftig schlucken, als ein Mädchen, das
einige Jahre jünger war als die meisten teilnehmenden Jungen,
den ersten Platz im Lianenklettern, Barfußrennen und beim
Wildwasserfahren davontrug.
Aurelie versuchte noch einmal, Kitiara zu erklären, daß sie
es sich angewöhnen sollte, gelegentlich einen Jungen
gewinnnen zu lassen, wenn sie später jemals einen für sich
erobern und glücklich verheiratet sein wollte.
Aber Kit hatte gute Laune. Aurelie konnte ihr die
nicht
verderben.
Bronk Wister hing mit seinem kleinen Bruder Dune herum
und schaute den Wettkämpfen nur zu. Immer wenn Kits Name
angesagt wurde, lachten sie höhnisch. Aurelie, die ja
schließlich Kits Verstärkung war, fing mit der Zeit an, ihre
Freundin vom Rand her anzufeuern.
Anschließend teilten sie sich ein Täschchen mit Gutscheinen,
die Kit für ihre Siege bekommen hatte. Man konnte sie gegen
Essen oder Eintrittskarten umtauschen. Die beiden Mädchen
stopften sich mit Zuckerzeug voll, bis ihnen der Bauch weh tat.
Dann spielten sie ein paar Glücksspiele, die von zwielichtigen
Kerlen in Zelten veranstaltet wurden, hatten aber kein Glück.
Aurelie vermutete, daß es dabei wahrscheinlich nicht mit
rechten Dingen zuging.
Sie sahen sich die Auslagen der Händler an, und Aurelie
feilschte um ein blankes Kupferarmband, während Kit einen
Beutel Magneten erstand, deren geometrische Formen ihr
gefielen.
Nach einigen Stunden streckten sie sich erschöpft in einer
Ecke des Platzes im Gras aus. Kit fiel ein Schild an einem
kleinen, gestreiften Zelt auf, das sie bisher übersehen hatte:
»Die berühmte Madame Dragatsnu sagt die Zukunft voraus!«
Ein dicker, wichtig aussehender Mann verließ gerade mit
zufriedener Miene das Zelt.
Kit war Feuer und Flamme, aber als sie die Gutscheine in
ihrer Hand
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