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Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert

Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert

Titel: Drachenlanze - Das Mädchen mit dem Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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hinten um, wo der Mann mit den
Karten zuletzt gewesen war, und dann wieder nach vorn zu
dem anderen. Der Mann, der die Vorstellung aufbaute, glich
dem anderen, nur daß dieser hier eine etwas verblichene gelbe
Robe trug.
    Zwillinge! sagte sich Raistlin, wie Caramon und ich. Weil
dieser Zufall ihn fesselte, ging der Junge näher. Bald gehörte er
zu dem guten Dutzend Leute, die herumstanden, sich
unterhielten und darauf warteten, daß der reisende Zauberer mit
seiner Vorstellung begann.
    Der Mann sortierte Behälter, Schriftrollen und kleine
Gegenstände auf einem Gestell, das er aufgebaut hatte.
Dabei murmelte er in sich hinein und nickte und zwinkerte
aber gelegentlich Leuten aus der Menge zu. Besonders eine
von den Zuschauerinnen, ein junges Mädchen mit langen
Zöpfen und zarter Haut, schien ihn zu interessieren. Als er sich
räusperte, um anzufangen, ruhten seine Augen einen Moment
auf ihm.
Er fischte eine kleine Münze aus seinem Gewand, hielt sie in
die Höhe und trug sie dann zum Rand der Lichtung, wo er sie
einem krummbeinigen Bauern, der ihn mit offenem Mund
anstarrte, auf die Stirn drückte. »Denk gut nach«, fing der
Magier an. »Denk an etwas, das dir wichtig ist. Ein Wort oder
zwei. Versuch nicht, einen schlauen, alten Zauberer
reinzulegen…«
Der Bauer runzelte gewaltig die Stirn, denn das Denken war
für ihn offenbar genauso mühsam wie das Pflügen. »Neue
Kuh«, gab der Zauberer mit großer Geste bekannt, und über
das Gesicht des Bauern ging ein erstaunter Ausdruck, der
darauf hinwies, daß der Zauberer es richtig erraten hatte.
Dieser ging die Reihe weiter durch und kam zu dem
Mädchen, das er beobachtet hatte. Ihr drückte er die Münze
sanfter auf die Stirn und schaute ihr tief ins junge Gesicht. Im
Gegensatz zu dem Bauern blieb ihre Miene unbeschwert. Der
Zauberer schien gut zu überlegen, bevor er ausrief: »Ein junger
Mann namens… Artis!« Sie klatschte entzückt in die Hände,
als er etwas stirnrunzelnd weitermachte, als wäre er etwas
enttäuscht über das, was ihre Gedanken verrieten.
Raistlin sah überrascht, daß die Hand mit der Münze sich
nach ihm ausstreckte. Während er den Mann fest ansah,
drückte der ihm die magische Münze auf seine verschwitzte
Stirn. »Jetzt ein Kind. Kindergedanken sind leicht zu
durchschauen«, verkündete der Magier, der sich vorbeugte, als
würde er mit einem Ohr auf die Ansage der Münze lauschen.
Raistlins Gesicht war entsetzt. Er wand sich ein bißchen, blieb
aber wie angewurzelt stehen, weil er auf die Enthüllung
wartete.
Wahrscheinlich bemerkte niemand außer Raistlin die
Überraschung, die das Gesicht des Mannes kurz ausdrückte, als
der sich um einen Einblick bemühte, der nicht kommen wollte.
Der Magier in der gelben Robe beugte sich weiter vor, und die
Zuschauer, die auf seine Worte warteten, folgten seinem
Beispiel. Es gab eine Pause von mindestens einer Minute.
»Bonbons!« erklärte der Magier, der sich mit eindrucksvoller
Geste aufrichtete. Die Zuschauer jubelten und klatschten.
»Bonbons«, wiederholte der Zauberer, der sich wieder seinen
anderen Utensilien zuwandte und einen weiteren vergeblichen
Blick auf das hübsche, junge Mädchen warf.
Keiner achtete viel auf Raistlin. »Ich habe gar nicht an
Bonbons gedacht«, sagte der leise vor sich hin. Aber er mußte
zugeben, daß der alte Fuchs die Menge im Griff hatte. Der
Junge kam näher, denn der Illusionist war bereits zu seinem
nächsten Trick übergegangen.
Diesmal bewegte der Mann geschickt die Hände und sang
ein paar Worte. Er zog Schubladen auf, aus denen Tauben
herausflogen, machte Taschen auf, in denen er funkelnde
Trinkbecher fand, riß buntes Papier in Fetzen und setzte diese
dann wieder zusammen. Irgendwo in seinem Innersten wußte
Raistlin, daß das alles nur Hokuspokus war, nichts Schwieriges
und auf jeden Fall keine großartige Magie. Aber mit seinen
fünf Jahren hatte der Junge noch nie eine so erstaunliche
Vorstellung gesehen. Die Menge schaute ehrfürchtig
schweigend zu. Raistlin selbst war wie gebannt.
»Da bist du ja, Raist!« Caramon tauchte neben ihm auf und
tat furchtbar wichtig. »Kitiara hat gesagt, ich soll dich suchen
und sofort zurückbringen.« Er sah sich etwas verloren um.
»Obwohl ich nicht so genau weiß, wo >zurück< jetzt eigentlich
– «
»Schsch!« Raistlin warf ihm einen strengen Blick zu und
beachtete seinen Bruder dann nicht weiter.
Caramon war gerade rechtzeitig zum Höhepunkt der
Vorführung des Wanderzauberers

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