Drachenlanze - Der Bund der ...
sich von Kitiara und
ging mit hinter dem Rücken gefaßten Händen ganz nach vorne.
Kit hätte ihn beinahe aus den Augen verloren, doch Becks
Schwert fing glitzernd das Mondlicht ein.
Eine Welle der Enttäuschung überkam Kit. Was war mit
Patrick los, daß er jetzt so launisch war? Kit merkte, wie ihr
Verlangen nachließ. Und zugleich schüttelte sie die Rolle ab,
die sie zu spielen versucht hatte, die von Patricks Verlobter.
Hier und jetzt wußte sie, daß das nicht ihre Bestimmung war.
Patrick drehte sich um und kam zu ihr. »Ich gehe nach
unten«, sagte er leise. »Ich bin plötzlich sehr müde.« Seine
Stimme klang rauh und erschöpft. Seine vorherige gute Laune
war spurlos verschwunden.
Kitiara gab ihm zu verstehen, daß er nicht auf sie warten
sollte. Sie wollte noch etwas an Deck bleiben.
Erst ein paar Minuten später vernahm Kit ein Geräusch und
stellte fest, daß noch jemand an Deck war. Als sie nach vorne
spähte, entdeckte Kit den Elfen, den sie unter den Passagieren
bemerkt hatte. Er stand auf dem Vorderdeck, wo er, das
Gesicht ihr zugewandt, mit dem Rücken an einem Mast lehnte.
Selbst auf diese Entfernung hatte Kit das sichere Gefühl, daß
der Elf sie und Patrick beobachtet hatte und daß in seinen
Augen eine unbestimmte Drohung lauerte.
Am nächsten Morgen unterrichtete Stratke Kit und La Cava
davon, daß Patrick mit Ruhr im Bett lag. Zwei Tage lang blieb
er in seiner Kabine und wollte nur seinen treuen Diener um
sich haben. Aus diesem Grund und wegen Stratkes
eingeschränkten Fähigkeiten, sich verständlich zu machen,
erfuhr Kit sehr wenig über Patricks Zustand. Am dritten Tag
kam er zu einem morgendlichen Spaziergang wieder an Deck.
Er wirkte etwas abgespannt und blaß, aber ansonsten nicht sehr
krank.
Doch beide wußten, daß sie nicht mehr dieselben Gefühle
füreinander hegten wie vorher. Kit beschloß, mit Patrick
darüber zu reden, wie sie nach Abanasinia zurückkommen
konnte, sobald sie in Gwynned gelandet waren, aber der junge
Mann wich ihr aus. Er ging dazu über, das Abendessen nur mit
Stratke zusammen in seiner Kabine einzunehmen. Wenn sie
einander zufällig an Bord über den Weg liefen, sah Patrick Kit
nicht in die Augen.
Zur gleichen Zeit war auch das Wetter umgeschlagen.
Wolken hingen wie graue Steine am Himmel, und tagelang
sahen sie keinen einzigen Sonnenstrahl. Dennoch hielt sich die
lähmende Hitze. Offenbar braute sich am Horizont ein
gewaltiger Sturm zusammen, ohne jedoch auszubrechen.
Da Patrick sich von ihr zurückgezogen hatte, verbrachte Kit
mehr Zeit allein oder mit Lurie und den anderen Seeleuten. Sie
hatte Spaß daran, sich mit ihnen zu messen, und forderte sie
zum Messerwerfen oder zum Wettklettern bis in die Spitzen
der Takelage heraus. Obwohl sie kleiner als die Männer war,
zeigte sie, daß sie ihnen in diesen Dingen zumindest
gewachsen war. Oft konnte sie Lurie und die anderen sogar
schlagen. Manchmal fühlte sie dann La Cavas Blicke auf sich
ruhen. Kit spürte, er hatte besser als sie verstanden, was
zwischen ihr und Patrick los war; doch er sagte nichts.
An den Nachmittagen, wenn sie über das Deck stromerte, die
Arbeit getan und die Spiele meist vorüber waren, kam Kit
immer wieder auf die Frage zurück, was sie als nächstes
machen sollte. Sie konnte nach Solace zurückgehen, denn sie
erinnerte sich an Raists Vorhersage, daß sie früh genug zurück
sein würde. Kit fragte sich, wie es ihren Brüdern erging. Sie
waren noch so klein – Raistlin so verwundbar und Caramon so
einfältig. Doch sie wußte, daß sie aufgrund der Umstände
bemerkenswert selbständig geworden waren. Nun, sie hatte ihr
Bestes getan. Mochten die Götter sie anlächeln. Eines Tages
würde sie zurückkehren, aber nicht sofort.
In ihrem Herzen verspürte Kitiara den Wunsch, weiter zu
reisen und die Suche nach ihrem Vater wieder aufzunehmen.
Doch seitdem sie die letzten vagen Hinweise auf seinen
Verbleib – irgendwo im Norden – erhalten hatte, waren Jahre
vergangen. Wo sollte sie anfangen zu suchen?
Als Kit eines Nachts nicht schlafen konnte, begegnete sie an
Deck La Cava und Lurie. Sie wurde wieder munter, als sie die
beiden sah, denn sie hatte vorgehabt, den verschlossenen
Schiffskapitän in eine Unterhaltung zu verwickeln. Es gab ein
bestimmtes Thema, das sie anschneiden wollte.
Also marschierte sie geradewegs auf ihn zu. Als La Cava
verschwinden wollte, versperrte Kit ihm kühn den Weg. Um
die Lippen des Kapitäns spielte ein feines Lächeln. Er
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