Drachenlanze - Der Bund der ...
denn sie erinnerte sich noch an
das erste Mal, als sie einen Minotaurus aus der Nähe gesehen
hatte. Da war Gregor dabeigewesen, damals vor der Schlacht
gegen Flinkwasser. Diese hier trugen natürlich keine Waffen,
aber ihre massigen, behaarten Körper flößten ihr dennoch
Respekt ein. Ihre scharfen Hörner mußten tödlich sein. Die
riesigen Augen schienen auf irgendwelche fernen Punkte zu
starren, die für Menschen unsichtbar waren. Trotz der Ketten,
die ihre Füße an den Boden banden, strahlten sie eine gänzlich
ungebändigte Kraft aus.
Außerdem ging ein kräftiger Geruch von ihnen aus. Lurie
zog ein Taschentuch hervor, mit dem er seine Nase bedeckte.
»Sie wirken«, sagte Kit, die nach den richtigen Worten
suchte, »beinahe königlich. Als wenn sie diejenigen in den
Kabinen sein sollten und wir alle hier an den Rudern sitzen
müßten.«
»Manchmal«, erklärte Lurie, der sich die Nase zuhielt,
»spielen sie verrückt. Dann Ärger. Meistens schwere Arbeit,
gute Arbeit. Stinken aber. Viel stinken.«
»Ja«, mußte Kitiara einräumen. »Viel stinken.«
Nach einer Woche auf See erhielten Patrick und Kitiara vom
Kapitän eine Einladung, anläßlich seines Geburtstags mit ihm
zu speisen. Im Gegensatz zu den anderen Abenden, an denen
sie im Speisesaal des Schiffs aßen, hatten sie diesmal das
Privileg, in La Cavas Quartier eingeladen zu werden. Patrick
hatte an diesem Tag besonders abwesend gewirkt, und um ihm
möglichst gut zu gefallen, wollte sich Kit für diese Gelegenheit
besonders anziehen. Sie wühlte in der Truhe seiner Mutter
herum und wählte ein weißes, schulterfreies Kleid. Der
durchsichtige Stoff wogte anmutig bis zum Boden um ihre
Figur. Dazu trug sie den Chrysoprasanhänger, den Patrick ihr
geschenkt hatte, und sie bürstete ihre Haare gründlich durch.
Als er an die Tür köpfte und sie seine Reaktion sah, wußte
Kitiara, daß sie gut gewählt hatte.
»Was für ein schöner Anblick«, murmelte er.
Patrick selbst trug eine Uniform, die einmal seinem Vater
gehört haben mußte, denn sie war ihm ein wenig zu groß.
Schultern und Hüften waren mit Tressen geschmückt, und die
Uniform zeigte das Wappen der Familie. An seinem Gürtel
hing zu Kits Überraschung das Schwert, das sie ihm geschenkt
hatte. Die kostbaren Steine blinkten im Licht der Kabine. Kit
fand, daß er umwerfend aussah. Spontan umarmte sie ihn und
freute sich über seine warme Reaktion. Hand in Hand gingen
sie zur Kapitänskajüte hinüber.
Kit wußte nicht, was sie erwartet hatte, doch was sie sah,
waren bestens eingerichtete Zimmer, in denen sich ein
anspruchsvoller Geschmack mit den unvorhersehbaren Spuren
eines Lebens auf See vermischte. La Cava hatte Regale voller
Bücher, dazwischen hin und wieder ein Stück Treibholz, an
den Wänden hingen gerahmte Gemälde neben bunten
Seekarten. Durch die Tür zu seinem Schlafzimmer konnte Kit
sehen, daß sein Bett mit einer schön genähten, bunten
Steppdecke zugedeckt war. In dem Raum, wo sie jetzt essen
würden, stellte ein Podest den Ehrenplatz dar. Drumherum
wickelte sich eine graugrüne Kreatur mit Tentakeln,
herausquellenden Augen und rasiermesserscharfen Stacheln
auf dem Körper. Sie, war etwa so groß wie ein großer Hund.
»Das Vieh wurde bei einem Sturm an Bord g
espült«, erklärte
La Cava, als er sah, daß Kit das Wesen betrachtete. »Hat sich
ums Ruder gewickelt. Aus den Tentakeln und den Stacheln
spritzte Gift, und ich mußte heftig mit ihm kämpfen, um wieder
ans Ruder zu kommen. Nachdem ich es getötet hatte, habe ich
das Vieh von Lurie ausstopfen lassen. Ich bin nicht oft so nah
dran, einen Kampf zu verlieren«, sagte er augenzwinkernd zu
Kit.
Auch La Cava hatte sich in Schale geworfen. Er trug ein
maßgeschneidertes, kurzes Jackett, dunkle Hose, eine rote
Schärpe um den Bauch und ein rot-weiß gestreiftes Halstuch.
Mit einer kurzen Verbeugung lud er Kitiara und Patrick ein,
sich einander gegenüber an den Holztisch zu setzen, der mit
Porzellan gedeckt war und von Kerzen beleuchtet wurde. La
Cava selbst setzte sich an den Kopf der Tafel. Die drei
lächelten sich angesichts dieser ungewohnten Situation etwas
gezwungen zu.
Doch alle Anspannung wich von ihnen, als Figgis, der
Schiffskoch, höchst theatralisch ein Tablett mit gekochten
Täubchen hereintrug. Kit hatte die Vögel noch am Morgen in
ihrem Käfig zwischen anderen Vorräten gesehen. Dem
tüchtigen Figgis folgte ein kleiner Küchenjunge, der das
schwere Tablett mit Fischfilets, mariniertem
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