Drachenlanze - Der Bund der ...
passiert?«
»Das ist keine schöne Geschichte, und ich erzähle nicht gern
Klatsch oder Legenden. Sie kann genausogut nicht wahr sein.«
»Erzählt sie mir trotzdem«, forderte sie ihn auf.
Wieder ein tiefer Seufzer. Dann drehte der Kapitän sein
Gesicht zum Meer zurück. »Oben im Norden liegt Whitsett,
eine Region, wo seit fast hundert Jahren ständig Krieg herrscht.
Manche nennen es Bürgerkrieg, andere reden von einer
Blutfehde zwischen zwei rivalisierenden Familien, die beide
reich und mächtig sind und große Verluste verkraften können.
Dein Vater, Gregor Uth Matar, hat einen gewissen Ruf als
meisterhafter Stratege, und vor einer Weile hat er sich an die
Spitze eines tausend Mann starken Söldnerheers gestellt,
dessen Krieger allesamt skrupellose Recken waren.«
»Weiter.«
»Es heißt, daß dein Vater diese Armee nach Whitsett geführt
und seine Dienste beiden Familien angetragen hat. Er hat seine
Reiter einfach demjenigen unterstellt, der am meisten bot. Ich
weiß nichts über die beiden Seiten in diesem Krieg, doch es
heißt, daß einer der Lords absichtlich weniger geboten hat,
damit Gregor und seine Männer für den langjährigen Erzfeind
seiner Familie ins Feld ziehen würden. Dann hat dieser Lord
sich heimlich mit einem kleinen Teil von Gregors Männern
verbündet und ihnen das Doppelte geboten, wenn sie ihren
Anführer ausspionieren würden.«
»Verrat!« rief Kitiara aus.
»Ja, Verrat von Männern, die er gerecht behandelt hatte«,
sagte La Cava. »Aber sein Geschäft gründete sich auf Geld,
nicht auf Treue. Natürlich wiederhole ich nur, was ich gehört
habe. Ich selbst kann nicht beurteilen, was davon wahr ist. Man
hört so manches auf Reisen, und derartige Geschichten werden
ausgeschmückt und aufgebauscht.«
»Was ist passiert?« bohrte Kitiara. »Was ist mit meinem
Vater passiert?«
»Soweit ich gehört habe«, sagte La Cava noch sanfter, »hat
Gregor seinen Teil des Handels erfüllt, indem er die Armee
umzingelte, die er bekämpfen sollte, und sie problemlos
besiegte. Die Armee seines Auftraggebers ist einmarschiert,
um den Übergabevertrag zu unterzeichnen, und er war einfach
zu selbstzufrieden. Auf ein Zeichen hin erhoben sich die
Verräter unter Gregors Soldaten und erschlugen den
Hauptrivalen und seine Generäle ebenso wie – «
»Ja?« verlangte Kitiara zu wissen.
»- wie Gregor und seine wenigen treuen Gefolgsleute.«
Kitiara bekam keine Luft mehr. Ihre Kehle zog sich
zusammen, und Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie
wollte nicht zulassen, daß diese Tränen flossen. Sie mußte sich
an der Reling abstützen, denn sie konnte nichts mehr sehen,
nichts fühlen, nichts denken außer Gregor. Ihr Vater. Tot.
Verraten.
»Verräter«, fauchte sie. »Verräter.«
»Ja«, sagte La Cava traurig. »Wenn es stimmt.«
»Dann ist das mein Ziel!« rief sie. »Ich gehe nach Whitsett.«
»Wenn es sein muß«, meinte La Cava. »Aber soweit ich
gehört habe, teilten die Verräter ihre Belohnung und trennten
sich voneinander. Sie haben sich in alle Ecken von Krynn
verstreut. Keine zwei zusammen. Keiner hat seither mehr von
ihnen gehört.«
»Ich werde sie finden«, beharrte Kitiara mit erstickter
Stimme. »Ich werde jeden einzelnen dieser Hunde jagen, und
wenn ich mein ganzes Leben dazu brauche.«
»Wenn es sein muß«, sagte La Cava ergeben. Er wandte sich
um zum Gehen, wobei er Kitiara warm an die Schulter faßte.
»Wenn es sein muß.« Sie nahm ihn überhaupt nicht mehr wahr.
Als sie einen Augenblick später aufsah, war La Cava
gegangen, und Lurie stand mit gesenktem Kopf – wie üblich –
neben ihr. Auf seinem Vogelgesicht lag ein mitleidiger
Ausdruck. Kitiara konnte lange nichts sagen und stand deshalb
eine ganze Weile einfach neben ihm. Innerlich kochte sie.
Trotz ihrer toll-, kühnen Wut war sie jetzt unsicherer denn je,
wohin sie gehen und was sie machen sollte. Ihr Vater war tot.
Verraten.
Schließlich brach Lurie das Schweigen. »Sag dir was«,
bemerkte er wie nebenbei.
»Was?«
Der Maat lehnte sich rücklings an und beobachtete ihre
Reaktion. »Über Patrick.«
»Was ist mit ihm?« Ihr Tonfall war fast mürrisch.
»Andere«, sagte er. »Andere Frauen, die er heiraten wollte.
Hat sie auch an Bord gebracht.«
»Was für andere?« Jetzt hörte sie Lurie doch zu.
»Oh, zwei oder drei andere, ich meine, vor dir«, sagte Lurie.
»So eine pro Jahr. Wir segeln herum. Er steigt aus, geht auf
Reisen. Stratke geht mit. Ich nicht. Ich warte mit dem Kapitän.
Zeit vergeht. Er kommt
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