Drachenlanze - Der Bund der ...
Chance war, sich den Schädel einschlagen zu
lassen –, die sie sich nicht entgehen lassen konnte.
Sie fand einen kleinen Lederhelm, den sie sich fest um den
Kopf band, und in den sie die paar Löckchen stopfte, die er
nicht bedeckte. Dann ging sie zur Wand, wo sie einen langen,
abgerundeten Stock abnahm, den sie mehrmals auf den Boden
schlug, um sicher zu sein, daß er hielt.
Kit war schon früher als Mann durchgegangen. Mit der
Lederweste, die sie am Strand gefunden hatte, der rauhen
Tunika, der Hose und den schweren Stiefeln, die sie von Rand
erhalten hatte, mochte ihr das jetzt wieder gelingen. Kit rieb
sich etwas Staub ins Gesicht und auf die Hände.
Der Junge hatte seine Bürste beiseite gelegt und schaute ihr
mit wiedererwachter Neugier zu. »Was machst du da
eigentlich?« fragte er. »Du hast doch keine Chance. Du bist ein
– «
Auf der Stelle stand sie neben ihm und fummelte in ihrer
Tasche herum. »Hier«, sagte sie und gab ihm ein paar von
ihren Münzen. »Geh schon und setz auf den letzten
Herausforderer. Auf mich. Und vergiß, was du gesehen hast.«
»Aber – «
Kit erhob ihren Stock und schlug damit vielsagend auf den
Boden. »Verschwinde!« schrie sie. »Und danke deinen
Göttern, daß ich nichts Schlimmeres mache!«
Als der Junge davongerannt war, hörte Kit draußen kurze
Stille, der ein einstimmiges Gebrüll folgte. Der Zweikampf war
entschieden. Kitiara drehte sich um und eilte ins Licht.
Die Menge schreckte kurz hoch, um den Neuankömmling
dann jubelnd1 willkommen zu heißen.
Als sie aus der Dunkelheit in die Sonne des Spätnachmittags
trat, brauchten Kits Augen ein paar Sekunden, bis sie sich an
das helle Licht gewöhnt hatten. Sie stand in der Sandarena, an
deren Seiten fünfzig Reihen Bänke anstiegen, und die Leute,
die darauf dicht an dicht saßen, starrten sie an. Sie schrien und
gestikulierten, waren aber eindeutig erfreut über die Aussicht
auf einen weiteren Kampf.
In der Mitte der Arena lag zu Kits großem Schrecken der
verprügelte Körper eines großen Mannes mit kräftigem
Oberkörper. Ein vergleichsweise kurzer Kerl thronte auf der
reglosen Brust.
Der kleine Mann war nicht mehr der Jüngste. Sein Haupt
wurde bereits kahl, und er hatte einen langen, lockigen
graumelierten Bart. Der Kerl hatte O-Beine und reichte ihr
höchstens bis zur Brust. Seine Nase war so platt, als wäre sie
schon dutzendmal gebrochen gewesen.
Der Kämpfer war ein Zwerg. Er strahlte triumphierend und
leerte gerade einen Krug Bier. Als er Kitiara sah, warf er den
Krug beiseite und sprang von der Brust seines fünften Opfers.
Dann stand Camium Eisenbieger, zwölffacher, ungeschlagener
Sieger des Holzwaffenfestes, wie ein echter Profi auf und
verbeugte sich sehr formell vor Kitiara.
Nachdem sie fünf Minuten mit Camium Eisenbieger
gekämpft hatte, verstand Kit, warum er elf Jahre lang das
Holzwaffenfest gewonnen hatte. Nach zehn Minuten hatte sie
von dem Kampf genug, doch das Problem war, Kit hätte
aufgeben müssen, und Aufgeben war gegen ihre Ehre. Der
Kampf konnte anscheinend nur auf zwei Arten zu Ende gehen
– mit Kits Bewußtlosigkeit oder mit ihrem Tod.
So unnachgiebig, wie er kämpfte, war klar, daß Camium
Eisenbieger beide Alternativen gleich recht waren.
Nach einer halben Stunde konnte Kitiara kaum noch auf
ihren wackligen Beinen stehen, kaum noch aus ihren
blutunterlaufenen Augen sehen, kaum noch ihren Stock heben,
um nach dem graubärtigen Zwerg zu schlagen.
Der Zwerg bewegte sich nicht viel. Er war durchaus bereit,
Kitiaras Schläge einzustecken, so viele und so schnell sie
austeilen konnte. Es sah fast so aus, als wäre es für Camium
Eisenbieger eine Frage des Stolzes, einen Kinnhaken oder eine
Kopfnuß zu bekommen, ohne auch nur mit der Wimper zu
zucken. Kitiara versuchte ein paarmal, nach seinen Knien zu
schlagen, doch seine Beine erwiesen sich als ebenso stabil wie
sein Schädel.
Die ganze Zeit ließ er sich von ihr umkreisen, wich kaum
von der Stelle zurück, wo er sich aufgebaut hatte, und
beobachtete sie genau. Kit konnte Camium leicht erreichen und
fast nach Belieben zuschlagen. Sie schwang ihren dicken Stock
– anderthalbmal so lang wie sie – fast wie ein Schwert, doch er
nahm auch ihre besten Treffer mit einem Grinsen hin, das die
Begeisterung der Menge noch anstachelte.
Was Camium anging, so trug dieser eine häßliche, knorrige
Keule voller Löcher und Kerben. Diese ruhte fast schwerelos
auf seiner Schulter, obwohl sie so lang war wie er und
vermutlich halb so schwer.
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