Drachenlanze - Der Bund der ...
zuerst den
Kopf hinein. Sie stellte fest, daß sie sich mit etwas
Anstrengung hindurchwinden konnte. Nachdem sie ein paar
Minuten auf dem Bauch weitergekrochen war, war sie über und
über mit Schlamm und Dreck bedeckt.
Wenn sie ihr Messer vor sich hielt, konnte sie sich einen
Weg bahnen. Sie schob sich jedesmal ein paar Fuß weiter, bis
sie auf einen besonders dicken Stein stieß, dessen kantiges,
nach unten schräges Ende jedes weitere Vorwärtskommen
unmöglich machte. Nach einer Weile gelang es ihr, ihn zu
lockern, doch als er herauskam, hörte sie, wie die schwere Erde
über ihr knirschte.
Colo kroch so schnell vorwärts, wie es ihr in dem engen
Gangstück nur möglich war. Doch dann kam ein Zittern, und
genau bevor sie sich auf der anderen Seite hinausretten konnte,
brach der Trümmerhaufen zusammen und erwischte ihren
linken Knöchel.
»Verdammt«, kreischte Colo. Sie versuchte, ihren Kopf so
zu drehen, daß sie einen Blick auf ihren Fuß werfen konnte.
Die Schmerzen waren zum Davonrennen.
Es gelang ihr, sich um ihre Achse zu drehen. Auf der Seite
liegend, konnte sie mit dem Schwert um ihren Fuß herum
stochern. Nach einigen Verrenkungen gelang es ihr, den Fuß
aus den Trümmern zu befreien. Sie hatte ihn gerade losgerissen
und war weitergekrochen, als der ganze Haufen zu beben und
zu ächzen begann.
Colo rollte sich schnell zur Seite, als er herunterdonnerte.
Staub und Lärm legten sich. Nachdem Colo in sicherer
Entfernung saß, wo sie ihren blutigen, gequetschten Knöchel
rieb, schaute sie zurück und stellte fest, daß der ganze Haufen
auseinandergerutscht war; jetzt konnte man ihn leicht
überqueren.
Vor ihr lag ein weiteres Stück Tunnel, das verhältnismäßig
sauber war und, von Fackeln erhellt, einen scharfen
Rechtsknick machte. Ihr Knöchel tat sehr weh, aber er war nur
verstaucht, nicht gebrochen, und Colo konnte ihn immer noch
etwas belasten.
Sie riß ein Stück Stoff von ihrem Ärmel ab und wickelte es
um ihren Fuß. Dann humpelte sie weiter, wobei sie sich an der
Wand abstützte und den verletzten Fuß nachzog.
Während Colo dem Knick folgte, wurde ihr klar, daß sie in
einer Art Verlies gelandet war. Von dem mit Öllampen
beleuchteten Gang gingen nach beiden Seiten eine Reihe
Zellen ab. Diese waren größtenteils leer – ein paar Knochen
hier, quietschende Ratten dort. Beim Weitergehen zählte sie
mindestens hundert von diesen steinernen Kerkern, jeder so
groß wie eine Pferdebox. Sie hielt sich an den Gitterstäben fest,
damit sie das Gleichgewicht besser halten konnte.
Weiter vorne machte der Tunnel wieder eine Biegung nach
rechts, und dahinter hörte sie ein Geräusch. Sie befürchtete ein
weiteres Wesen wie das in der Fallgrube, darum suchte sie als
erstes den Boden ab und vergewisserte sich, daß sie nicht in
eine weitere Falle stürzte. Aber dieses Geräusch war anders,
ein Tappen und Schlurfen, gefolgt von Räuspern. Menschliche
Atemzüge! Sie hinkte weiter, umklammerte ihr Schwert und
spähte um die Ecke. Was sie ein kurzes Stück weiter sah, war
eine schmale Treppe, die rechts nach oben führte, und eine
größere Zelle als die anderen, die ganz am Ende des Gangs lag.
In dieser Zelle lief Ursa II Kinth auf und ab; er war nur mit
einer ramponierten Hose bekleidet.
»Colo!« rief er aus und packte die Gitterstäbe, als er sie sah.
»Ursa!« So gut sie konnte, lief sie hin, wobei sie den verletzten
Fuß hüpfend hinter sich herzog.
Beim Näherkommen erkannte sie, daß Ursa verprügelt, dünn
und geschwächt aussah. Sein Gesicht war grün und blau
geschlagen, die nackten Füße geschwollen und violett
angelaufen. Er starrte sie genauso an, bemerkte sie, als sie ihm
mitleidig betrachtete, denn sein Blick hing an ihrem verletzten
Fuß, dessen einfacher Verband vom Blut schon dunkelrot war.
Sie schlugen im selben Moment die Augen auf, und Ursa
brach unwillkürlich in bellendes Lachen aus, so ähnlich war ihr
Ausdruck von Mitleid füreinander.
Gut, dachte Colo, seinen Humor hat er noch.
»Was ist denn mit dir passiert?« fragte Ursa.
»Eine Art Erdrutsch hinten im Tunnel«, meinte sie knapp.
»Nichts Schlimmes. Ich gewinne zwar heute kein Wettrennen
mehr, aber ich kann laufen. Was ist mit dir?«
»Hunger. Schmerzen. Erschöpfung.« Seine dunklen Augen
glänzten. »Aber noch am Leben!«
Im Gegensatz zu den anderen Zellen war seine mit zwei
Reihen dicker Eisenstangen abgetrennt. Als Colo fest an den
vordersten rüttelte, stellte sie fest, daß sie kaum zu zerbrechen
waren. Zwischen
Weitere Kostenlose Bücher