Drachenlanze - Der Bund der ...
angstverzerrtes
Gesicht erkennen konnte. Der erste Wurf der Waldläuferin
ging daneben. Beim zweiten Mal kam Colo zu nahe an den
Rand, verlor den Halt und wäre fast selbst vornüber gefallen.
Beim dritten Wurf gelang es Kit, den Arm hochzuschwingen
und mit der Hand nach dem Seil zu greifen, die auch den Griff
von Becks Schwert festhielt.
Das fauchende Monster unten stieß ein neuerliches Brüllen
aus.
»Halt dich einfach fest. Ich ziehe dich hoch!« rief Colo ihr
gepreßt zu.
Das Seil schnitt Kit so tief in die Hand, daß Blut ihr
Handgelenk herunter tröpfelte. Es fiel ihr schwer, gleichzeitig
das Seil und Becks Schwert festzuhalten. Colos Stärke war für
jemanden von ihrer Größe bemerkenswert, aber dennoch
brauchte sie lange Minuten, in denen sie Kit voller
Anstrengung Handbreit um Handbreit über den steilen Rand
zog.
Nachdem Kit herausgekrochen war, rieb sie sich mürrisch
das Handgelenk. Colo hatte sich vor Erschöpfung lang
ausgestreckt. Sie hörten das Brüllen und Toben des
Wassermonsters in der Tiefe. Zweifelsohne war das Tier
enttäuscht, weil Kit ihm entkommen war.
»Eindeutig kein Slig«, bemerkte Kit schließlich.
»Ja«, sagte Colo und setzte sich auf. Einen Moment später
fügte sie trocken hinzu: »Jetzt sind wir eigentlich quitt.«
Langsam standen sie auf und machten sich auf den
Rückweg. Sie konnten schneller gehen, aber dennoch dauerte
es einige Zeit, bis sie wieder in der Totenkammer waren. Jetzt
mußten noch zwei Tunnels erforscht werden.
Kit schätzte, daß die Mittagszeit schon vorüber war, und sie
waren hungrig. In Gegenwart der Opfer von Luz Mantillas
Rachedurst teilten sie ihre bescheidenen Vorräte. Inzwischen
hatten sie sich schon fast an die groteske Umgebung gewöhnt.
Colo, die sich auf ein paar Trümmern ausgestreckt hatte,
sagte nachdenklich: »Also, ich schätze, wenn wir für die
beiden übrigen Tunnels jedesmal so lange brauchen wie für
den ersten, dann sind wir noch den ganzen Tag und bis tief in
die Nacht hier unten. Und selbst dann haben wir vielleicht noch
nicht das gefunden, wonach wir suchen.«
»Ich dachte gerade dasselbe«, erwiderte Kit vorsichtig.
»Ich will nicht zwei Tage an diesem gräßlichen Ort
verbringen«, sagte Colo, die sich mißtrauisch umsah.
»Ich auch nicht«, gestand Kitiara.
»Wir sollten uns aufteilen. Jede nimmt einen Tunnel. Wenn
nichts dabei herauskommt, treffen wir uns hier wieder.«
»Abgemacht.«
»Laß dir Zeit«, mahnte Colo. »Paß auf. Sei auf der Hut vor
Fallen und… vor der Eisernen Garde.«
»Keine Sorge«, sagte Kit mit ihrem schiefen Lächeln. »Ich
mach’ doch nicht zweimal denselben Fehler.«
Stehend faßten sie einander an den Schultern. Kit wurde
bewußt, wie gern sie inzwischen mit der Waldläuferin
zusammen war. Aus Colos Augen sprach das gleiche Gefühl.
Colo drehte sich als erste um, ging zum äußersten Tunnel
und verschwand darin. Kit wartete ein paar Minuten, hörte
jedoch nichts als die leiser werdenden Schritte ihrer
Kameradin. Also machte Kit sich zögernd in den letzten
Tunnel auf.
Nach ungefähr zehn Minuten wurde Colos Tunnel vor lauter
Geröll praktisch unpassierbar. Nicht nur Steine und Holz,
sondern Trümmer und Chaos. Die Waldläuferin fragte sich, ob
dieser Steintunnel vielleicht nicht mehr benutzt wurde, und ob
sie nicht lieber umkehren und Kitiara nachgehen sollte.
Der Tunnel war mit allen möglichen Dingen übersät.
Verrostete Rüstungsteile, stinkende Kleiderfetzen, schmutzige
Lumpen, Tonscherben, alte Gartengeräte. Spinnweben und
Moos hingen von der Decke herunter und verfingen sich in
ihrem Haar. Handtellergroße Spinnen und Käfer hingen über
ihrem Kopf. Sie konnte hören, wie Ratten und andere kleine
Tiere in ihre Verstecke huschten, als sie vorbeikam.
»Bei den Göttern«, murmelte sie, während sie mit dem
Schwert die Spinnweben zerschlug, »ich habe bestimmt die
schlechtere Wahl getroffen.« Nachdem sie fast eine Stunde
lang vorgedrungen war, kam Colo nicht mehr weiter. Ein
Haufen Steine, Holz und Trümmer versperrte ihr wie eine
Wand den Weg. Er reichte bis zur Decke. Sie wollte gerade
umkehren, als sie bemerkte, daß von der anderen Seite ein
dünner Lichtstrahl hereinfiel. Als sie in die Knie ging und
durch das winzige Loch spähte, konnte sie erkennen, daß der
Tunnel auf der anderen Seite des Haufens besser begehbar war.
Seufzend nahm sie ihr Schwert und stocherte in dem Loch
herum, um einen größeren Zugang zu schaffen. Als es groß
genug aussah, um hindurchzukriechen, schob Colo
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